Russland macht mobil gegen Raubkopien

Weil die russische Regierung mit einer Aufnahme Russlands in die Welthandelsorganisation WTO rechnet, will sie dem Raubkopierertum ein Ende setzen.

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Von
  • Thomas Alboth
  • dpa

Das russische Mekka für Musik- und Filmbegeisterte verbirgt sich hinter alten Fabrikmauern im Westen Moskaus. Die "Gorbuschka" ist Europas größter Umschlagplatz für Raubkopien von Audio- und Software-CDs sowie Videos. Russland steht in dem schlechten Ruf, nach China weltweit der zweitgrößte Hersteller von illegalen Kopien zu sein. Über Jahre schien das kaum einen russischen Politiker ernsthaft zu kümmern. Doch nun kann das Land mit einer Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO rechnen und will deshalb dem Raubkopierertum ein Ende setzen.

Den Hunderten von kleinen Händlern in der "Gorbuschka" soll es an den Kragen gehen. Doch die Betroffenen wirken nicht sonderlich beunruhigt. "Im Moment gibt es viel Geschrei, doch das wird auch wieder ruhiger", sagt Sergej. Er ist Fachmann für Populäres von ABBA bis Zappa und lebt seit vier Jahren vom Verkauf der illegalen Scheiben. "Unser Geschäft ist zwar rechtlich nicht ganz in Ordnung, doch Ärger habe ich noch nie bekommen", sagt der Verkäufer.

Die gefälschten Musikalben, Kinofilme und Computerprogramme sind konkurrenzlos billig. Weniger als drei Euro kosten die günstigsten CDs. "Im Raubkopieren sind wir Weltmeister", sagt mit Stolz ein russischer Student, der sich sein Geld damit verdient, die Covers für die illegalen Kopien zu designen. Die aktuellen Top-Hits von "No Doubt" und "Eminem" sind auf den Ladentischen der "Gorbuschka" ebenso zu finden wie neueste Software. Mancher Film taucht dort bereits vor der offiziellen Kino-Premiere in den Regalen auf, weil er in den USA schon vom Schneidetisch weg kopiert wurde.

Nach Angaben der Internationalen Vereinigung der Phonoindustrie (IFPI) hatte der russische Markt mit Piraterieprodukten im vergangenen Jahr ein Volumen von über 240 Millionen Euro. Im größten Land der Erde sind schätzungsweise 80 Prozent aller CDs und CD-ROMs sowie rund 60 Prozent alles Videos Raubkopien.

Das Problem ist jedoch nicht neu. Bereits seit vielen Jahren blüht in Russland der Handel mit Raubkopien, und genauso lange versuchen ausländische Organisationen, Moskau zu einem härteren Vorgehen gegen die "CD-Piraten" zu bewegen. Vereinzelte Großrazzien der Polizei konnten das illegale Gewerbe nicht eindämmen. Anfang Oktober verkündete die russische Regierung, die Urheberrechte müssten stärker geschützt werden.

Angefangen hatte alles zu Sowjetzeiten als kleiner Musik-Schwarzmarkt in einem Moskauer Park, der nach dem Zerfall des alten Systems immer populärer wurde. Ende 2000 ließ die Stadtverwaltung die Händler vertreiben, weil bei den Geschäften keine Steuern gezahlt wurden. Doch der Handel verlagerte sich nur an andere Ecken der Metropole mit neun Millionen Einwohnern. Im Frühjahr 2001 bekam der illegale Handel ein Dach über den Kopf. Wie im Supermarkt können die Kunden nun täglich von 10 bis 20 Uhr im "Gorbuschka-Palast" ihren eigentlich verbotenen Neigungen nachgehen.

Quittungen bekommt man zwar noch immer nicht, doch das ist dem Kunden egal -- Hauptsache billig. "150 Rubel pro CD sind für mich die absolute Schmerzgrenze", sagt der Musikliebhaber Andrej und steckt sich seine neuen Ska-CDs in die Tasche. Eine lizenzierte CD für 500 Rubel (16 Euro) könne er sich nicht leisten. Auch der Verkäufer pflichtet Andrej bei: "Wenn es die Raubkopien nicht mehr gibt, dann hören die Russen auch keine Musik mehr, sondern trinken wieder Wodka." (Thomas Alboth, dpa) / ()