Da die wohlverdiente Polemik gegenüber den Machern der benannten
Sendung schon von anderen besorgt wird, möchte ich an dieser Stelle
nochmal in aller Ruhe einige Problempunkte bei dem Vorgehen der
Medien- und Politikseite ansprechen.
Zuerst sei mal der kausale Zusammenhang von Spielekonsum und
aggressivem Verhalten in Frage gestellt. Die Menschen, die diesen
herstellen haben im Normalfall noch nie eines der Spiele, um die es
sich hier dreht, gespielt und konstruieren ihre Argumentation auf
Basis der Erzählungen anderer, Medienberichten und statistischer
Erhebungen. Sie sind jedoch blind für die frappierende Diskrepanz
zwischen den Statistiken - welche sie selber in Auftrag gegeben haben
- und ihren Rückschlüssen daraus. Ich meine hier die 1,5 Millionen
Spieler von First Person-Shootern in Deutschland gegenüber den 2
Jugendlichen, die Selbstmord-Attentate verübt haben. Wie lässt sich
hieraus eine statistisch relevante Korrelation oder sogar eine
Kausalität lesen?
Um Fälle wie Robert Steinhäuser oder ResistantX aufzuklären, und in
Zukunft zu vermeiden, ist die Verfolgung bestimmter Computerspiele
wahrscheinlich nicht zielführend. Im Gegenteil - in den Soundbites
der aktuellen Debatte gehen seriöse Ansätze völlig verloren. Nämlich
solche, die nach den Lebensumständen der Täter fragen und ihre
subjektive Einsamkeit, Rückhaltlosigkeit und Hoffnungslosigkeit als
ursächliche Auslöser identifizieren. Das sind leider keine Probleme,
die mit einem Paragraphen gelöst werden können - vielmehr muss man
auf der Suche nach einer Lösung den Zustand unserer Gesellschaft
hinterfragen und kritisieren. Um nicht zu weit auszuholen, erspare
ich mir (und euch) hier eine tiefgehende Analyse eben dessen, aber
wir brauchen sie!
Stattdessen möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass Computerspiele
durchaus als Katalysator für Aggressivität psychosozialen Ursprungs
dienen können. Denn das Ausüben virtueller Gewalt gibt uns Menschen
die Möglichkeit Stress und Frustration abzubauen ohne dabei Schaden
anzurichten. Es gibt wahrscheinlich bessere Alternativen - meistens
mit körperlicher Aktivität verbunden - aber die sind nunmal nicht
jedermanns Sache. Genauso wie virtuelle Gewalt nicht allen gefällt.
Mir persönlich übrigens auch nicht, wenn ich mal Zeit zum Spielen
finde, dann baue ich mir lieber eine virtuelle Zivilisation auf. Nur
an Weihnachten beim Wiedersehen mit alten Schulfreunden wird
geballert. Das nur mal am Rande...
Abschliessend möchte ich kurz noch einzelne Fragen/Gedanken
auflisten, die mir im Zusammenhang mit der Diskussion um
Computerspiele allgemein und der Panorama-Sendung im speziellen in
den Sinn gekommen sind:
Wie sollte ein Verbot von bestimmten Spielen durchgesetzt werden,
wenn sich heutzutage "jedes Kind" in Deutschland illegale Mods aus
dem Netz besorgen kann?
Wenn First Person-Shooter zum töten animieren, wie verhält es sich
dann mit Auto-Rennspielen, wie NFS und GT? Warum gelten diese nicht
als Gefährdung des Strassenverkehrs?
Warum konzentriert sich die öffentliche Diskussion um die schädliche
Wirkung von Medienkonsum auf Computerspiele und Webinhalte? Wie wäre
es mit einer gründlichen Untersuchung der psychosozialen Folgen von
Rundfunk- und Videoinhalten (sprich: Unterschichtsfernsehen,
Hollywoodfilme, explizite Bilder in den Nachrichten)?
Wie vereinbaren Politiker wie Beckstein ein Verbot von First
Person-Shootern mit ihrer Position zum Wehrdienst, durch den jedes
Jahr zig Tausend Männer zum realen Töten mit realen Waffen
ausgebildet werden?
Wieso werden in einer Zeit, in der öffentlich über
Akademiker-Abwanderungen und Stellenabbau geklagt wird, nicht die
Folgen eines Verbots für die deutsche Spieleindustrie thematisiert?
Wir haben hier in Deutschland mit Crytek den Hersteller einer der
weltweit besten Game Engines, und die werden nicht hierbleiben wenn
das so weitergeht.
Zum Auftritt von Bert Weingarten in der Panorama-Sendung kann ich nur
sagen, dass das haarscharf an der Grenze zur Schleichwerbung ist. Auf
jeden Fall ist es aber eine PR-Nachricht im Sinne von Paul Grahams
Essay [1] und somit äusserst fragwürdiger Journalismus.
[1] http://paulgraham.com/submarine.html
So, das war es erstmal von meiner Seite - einiges wurde bestimmt
schon von anderen gesagt, aber ich musste es einfach mal in eigene
Worte fassen. Danke für's zuhören.
-- wortwechsel
Sendung schon von anderen besorgt wird, möchte ich an dieser Stelle
nochmal in aller Ruhe einige Problempunkte bei dem Vorgehen der
Medien- und Politikseite ansprechen.
Zuerst sei mal der kausale Zusammenhang von Spielekonsum und
aggressivem Verhalten in Frage gestellt. Die Menschen, die diesen
herstellen haben im Normalfall noch nie eines der Spiele, um die es
sich hier dreht, gespielt und konstruieren ihre Argumentation auf
Basis der Erzählungen anderer, Medienberichten und statistischer
Erhebungen. Sie sind jedoch blind für die frappierende Diskrepanz
zwischen den Statistiken - welche sie selber in Auftrag gegeben haben
- und ihren Rückschlüssen daraus. Ich meine hier die 1,5 Millionen
Spieler von First Person-Shootern in Deutschland gegenüber den 2
Jugendlichen, die Selbstmord-Attentate verübt haben. Wie lässt sich
hieraus eine statistisch relevante Korrelation oder sogar eine
Kausalität lesen?
Um Fälle wie Robert Steinhäuser oder ResistantX aufzuklären, und in
Zukunft zu vermeiden, ist die Verfolgung bestimmter Computerspiele
wahrscheinlich nicht zielführend. Im Gegenteil - in den Soundbites
der aktuellen Debatte gehen seriöse Ansätze völlig verloren. Nämlich
solche, die nach den Lebensumständen der Täter fragen und ihre
subjektive Einsamkeit, Rückhaltlosigkeit und Hoffnungslosigkeit als
ursächliche Auslöser identifizieren. Das sind leider keine Probleme,
die mit einem Paragraphen gelöst werden können - vielmehr muss man
auf der Suche nach einer Lösung den Zustand unserer Gesellschaft
hinterfragen und kritisieren. Um nicht zu weit auszuholen, erspare
ich mir (und euch) hier eine tiefgehende Analyse eben dessen, aber
wir brauchen sie!
Stattdessen möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass Computerspiele
durchaus als Katalysator für Aggressivität psychosozialen Ursprungs
dienen können. Denn das Ausüben virtueller Gewalt gibt uns Menschen
die Möglichkeit Stress und Frustration abzubauen ohne dabei Schaden
anzurichten. Es gibt wahrscheinlich bessere Alternativen - meistens
mit körperlicher Aktivität verbunden - aber die sind nunmal nicht
jedermanns Sache. Genauso wie virtuelle Gewalt nicht allen gefällt.
Mir persönlich übrigens auch nicht, wenn ich mal Zeit zum Spielen
finde, dann baue ich mir lieber eine virtuelle Zivilisation auf. Nur
an Weihnachten beim Wiedersehen mit alten Schulfreunden wird
geballert. Das nur mal am Rande...
Abschliessend möchte ich kurz noch einzelne Fragen/Gedanken
auflisten, die mir im Zusammenhang mit der Diskussion um
Computerspiele allgemein und der Panorama-Sendung im speziellen in
den Sinn gekommen sind:
Wie sollte ein Verbot von bestimmten Spielen durchgesetzt werden,
wenn sich heutzutage "jedes Kind" in Deutschland illegale Mods aus
dem Netz besorgen kann?
Wenn First Person-Shooter zum töten animieren, wie verhält es sich
dann mit Auto-Rennspielen, wie NFS und GT? Warum gelten diese nicht
als Gefährdung des Strassenverkehrs?
Warum konzentriert sich die öffentliche Diskussion um die schädliche
Wirkung von Medienkonsum auf Computerspiele und Webinhalte? Wie wäre
es mit einer gründlichen Untersuchung der psychosozialen Folgen von
Rundfunk- und Videoinhalten (sprich: Unterschichtsfernsehen,
Hollywoodfilme, explizite Bilder in den Nachrichten)?
Wie vereinbaren Politiker wie Beckstein ein Verbot von First
Person-Shootern mit ihrer Position zum Wehrdienst, durch den jedes
Jahr zig Tausend Männer zum realen Töten mit realen Waffen
ausgebildet werden?
Wieso werden in einer Zeit, in der öffentlich über
Akademiker-Abwanderungen und Stellenabbau geklagt wird, nicht die
Folgen eines Verbots für die deutsche Spieleindustrie thematisiert?
Wir haben hier in Deutschland mit Crytek den Hersteller einer der
weltweit besten Game Engines, und die werden nicht hierbleiben wenn
das so weitergeht.
Zum Auftritt von Bert Weingarten in der Panorama-Sendung kann ich nur
sagen, dass das haarscharf an der Grenze zur Schleichwerbung ist. Auf
jeden Fall ist es aber eine PR-Nachricht im Sinne von Paul Grahams
Essay [1] und somit äusserst fragwürdiger Journalismus.
[1] http://paulgraham.com/submarine.html
So, das war es erstmal von meiner Seite - einiges wurde bestimmt
schon von anderen gesagt, aber ich musste es einfach mal in eigene
Worte fassen. Danke für's zuhören.
-- wortwechsel