Kriminalisierung von Parallelimporten weiter umstritten

Im europäischen Gesetzgebungsverfahren ist der strafrechtliche Teil der EU-Richtlinie zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte zum Zankapfel geworden.

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Von
  • Monika Ermert

Das Gesetzgebungsverfahren für den zweiten, strafrechtlichen Teil der EU-Richtlinie zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (IPRED2) ist noch einmal ins Stocken geraten. Aktueller Streitpunkt des bereits vom EU-Parlament im April verabschiedeten Richtlinienentwurfs ist die Frage, ob Parallelimporte von Originalgütern kriminalisiert werden sollen oder nicht. Das Parlament hatte im Frühjahr dafür gestimmt, dass Parallelimporte aus den geplanten strafrechtlichen Vorschriften herausgenommen werden. Nach der bereinigten Fassung sollen "nicht vom Rechteinhaber genehmigte" Parallelimporte nun aber doch strafrechtlich geahndet werden. Das widerspricht dem erklärten Willen des Parlaments, sagt die Grünen-Abgeordnete Eva Lichtenberger. Sie hat sich nun in einem Brief an Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering gewandt.

"Es geht auf keinen Fall, das ein Änderungsvorschlag, der von der Parlamentsmehrheit angenommen und so abgestimmt wurde, nicht berücksichtigt wird", sagte Lichtenberger gegenüber heise online. Da klärende Gespräche mit dem verantwortlichen Berichterstatter, Nicola Zingaretti, nicht erfolgreich gewesen seien, habe sie sich an den Präsidenten des Parlaments wenden müssen. Zingaretti habe auf die möglichen Dimensionen von Parallelimporten hingewiesen. Solche nutzen in der Regel Preisunterschiede zwischen verschiedenen Märkten aus und unterlaufen damit die Preispolitik von Rechteinhabern.

Ausschüsse und Parlamentsmehrheit seien klar der Meinung gewesen, dass Rechteinhaber in solchen Fällen ihre Ansprüche zivilrechtlich klären lassen könnten, schildert Lichtenberger. Zivilrechtliche Maßnahmen hatten auch die Experten vom Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht für absolut ausreichend erklärt, strafrechtliche Maßnahmen dagegen für unangemessen.

Der Ärger um die gültige Fassung des Textes, in der er dann an den Rat gehen soll, rührt nicht zuletzt daher, dass das Parlament im April neben dem Ausschluss von Paralellimporten in einem weiteren Änderungsantrag auch bekundet hatte, Parallelimporte originaler Produkte aus Drittländern sollten nicht Gegenstand der Direktive sein, soweit sie vom Rechteinhaber genehmigt worden seien. Berichterstatter und Schattenberichterstatter hatten im Laufe der redaktionellen Arbeiten beim juristischen Dienst wegen dieses zweiten Änderungsantrags zugestimmt, die komplette Streichung aufzugeben. Aus Sicht Lichtenbergers geht das so nicht. Sie sehe auch den behaupteten Widerspruch nicht. Bürgerrechtsorganisationen hatten darauf hingewiesen, dass sich die Genehmigung der Rechteinhaber auch auf den Vertrieb im Ursprungsland beziehen könne.

Pöttering hat nun zu entscheiden, ob er die Angelegenheit an den Ausschuss für konstitutionelle Fragen weiterleitet. Ob der Richtlinienentwurf letztlich noch einmal ans Parlament zurückgereicht werden muss, ist nicht klar. Auf jeden Fall könnte es für die Behandlung des umstrittenen Dokuments durch die Vertreter im Rat noch in diesem Jahr knapp werden. Ohnehin wird im Rat eine interessante Debatte erwartet, da die Richtlinie der erste Vorstoß in Richtung Gemeinschaftsstrafrecht ist, seitdem der Europäische Gerichtshof eine Richtlinie zum Umweltstrafrecht gekippt hatte. Wenn die Mitgliedsstaaten ablehnten, grenzüberschreitend Umweltvergehen strafrechtlich zu verfolgen, wäre eine harte, strafrechtliche Verfolgung etwa von Parallelimporten schwer nachvollziehbar, meint Lichtenberger.

Von einem "Schritt in die falsche Richtung" spricht auch das Internetauktionshaus eBay. Internet und Online-Marktplätze eröffneten Verbrauchern die Möglichkeit, "Originalware auch über große räumliche Distanzen zu erwerben und die teils massiven Preisunterschiede für das gleiche Produkt zu nutzen", teilt das Unternehmen heise online mit. Schon jetzt stellten Parallelimporte nach europäischem Recht eine Markenrechtsverletzung dar, anders als in anderen Teilen der Welt. "Hier jetzt noch eine zusätzliche Strafbarkeit einzuführen, würde die rechtlichen Gräben vertiefen und zusätzliche Hürden für einen freien Handel errichten", warnt eBay. Das schade den Verbrauchern und benachteilige gerade die, die sich nicht den Flug zum Weihnachtsshopping nach New York leisten könnten. "Die Hersteller selbst nutzen die Vorteile der Globalisierung durch Produktionsverlagerungen – warum soll dies dem Verbraucher verwehrt bleiben?" (Monika Ermert) / (anw)