Filesharing durch neues Urheberrecht in Italien legalisiert?

Ein Passus im neuen Urheberrecht Italiens, meint ein Experte, erlaube defacto den Tausch von MP3-Dateien über das Internet. Auf die nötige Klarstellung der zuständigen Minister wird man in Rom allerdings noch etwas warten müssen.

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Noch ringt Italiens Senatspräsident Franco Marini um die Bildung einer Übergangsregierung für eine Wahlrechtsreform, doch sieht es in Rom inzwischen mehr nach den von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi geforderten Neuwahlen aus. Eine neue Regierung – unter welcher Führung auch immer – wird sich dann auch mit einem angesichts der derzeitigen politischen Großwetterlage vielleicht eher nebensächlichen Thema beschäftigen müssen: dem neuen Urheberrecht Italiens, das von Parlament und Senat bereits verabschiedet wurde und nur noch auf die Veröffentlichung im Amtsblatt wartet. Denn das neue Gesetz, meint ein Experte, legalisiere das Tauschen von MP3-Dateien im Internet.

Italien legalisiert P2P? Wohl kaum, auch wenn die Äußerungen des italienischen Anwalts Andrea Monti für eine gewisse Erregungswelle in in den internationalen Weiten des Internets sorgten. Es geht um einen Passus des neuen Gesetzes, der die Online-Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Bilder oder Musik in qualitativ "verminderter" Form zu Forschungs- oder Bildungszwecken gestattet, solange es sich um nicht-kommerzielle Angebote handelt. Monti, als Urheberrechtsexperte selbst am Gesetzgebungsprozess beteiligt, interpretiert den verabschiedeten Gesetzestext gegenüber der Tageszeitung La Repubblica dahingehend, dass von dem Begriff "vermindert" auch im MP3-Verfahren komprimierte Musikstücke erfasst würden.

Das mag tatsächlich so sein. Doch angesichts der Tatsache, dass die Vertreter der italienischen Musikindustrie bisher ziemlich ruhig geblieben sind, sollten sich notorische Filesharer einen überhasteten Umzug in den sonnigen Süden gut überlegen. Denn die Einschränkung des Gesetzgebers auf Forschungs- und Bildungszwecke hat auch Monti nicht überlesen. Da die Veröffentlichung von Bildungsangeboten aber nicht Universitäten oder Schulen vorbehalten ist, meint jedoch der Anwalt, könne im Prinzip jeder MP3-Dateien unter falscher Bildungsflagge im Internet lancieren.

Allerdings wird dazu eine Klarstellung per Ministerialdekret erwartet. Laut Gesetzestext sollen die zuständigen Ministerien (Bildung, Forschung und Kultur) nach Konsultation mit den Parlamentsausschüssen die Grenzen des Gesetzes und die erlaubte Nutzung für Bildungszwecke klar definieren. Ein Sprecher des italienischen Verbandes der Musikindustrie (FIMI) gibt sich gegenüber La Repubblica ungerührt. Er ist sicher, dass die Minister das Recht klar auf Universitäten und andere offizielle Bildungseinrichtungen beschränken. Das gehe allerdings nicht so einfach, hält Monti dagegen, weil die italienische Verfassung allen Bürgern erlaube, Angebote zu Bildung und Forschung zu veröffentlichen.

Wie auch immer: schnell wird es nicht gehen. Angesichts der politischen Situation in Italien wird sich mit dem Thema wohl erst eine neue Regierung beschäftigen. Sollte Marini nun tatsächlich gescheitert sein, handeln italienische Medien bereits April oder Mai als Termin für Neuwahlen. Bis dahin wird Italien auf ein Machtwort der Minister warten müssen. So wie es aussieht, wird die Musikindustrie das überleben. (vbr)