Near Field Communication: Die nächste Stufe der Chipkarten-Entwicklung

Smartcards sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken: 2,6 Milliarden SIM-Karten in Handys, 500 Millionen Bankkarten, 105 Millionen ID-Karten in der Gesundheitsbranche, 70 Millionen Pay-TV-Karten gibt es. NFC soll nun die weitere Entwicklung beflügeln.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf dem 18. SmartCard Workshop des Fraunhofer-Instituts Sichere Informations-Technologie (SIT) wurden Wolfgang Effing, Klaus Finkenzeller und Wolfgang Rankl von der Firma Giesecke & Devrient mit dem SmartCard-Preis 2008 ausgezeichnet. Sie erhielten den Preis für das "Handbuch der Chipkarten" (Wolfgang Effing, Wolfgang Rankl) und das "RFID-Handbuch" (Klaus Finkenzeller), die klassischen Referenzwerke für Smartcard-Entwickler. Die drei Preisträger bedankten sich mit einem Rückblick, der Lehren für die Zukunft der Kartentechnologie enthielt.

Smartcards sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. 2,6 Milliarden SIM-Karten sind in Mobiltelefonen gesteckt, bis 2010 sollen es 4 Milliarden werden. 500 Millionen Bankkarten, 105 Millionen ID-Karten in der Gesundheitsbranche, 70 Millionen Pay-TV-Karten sprechen eine deutliche Sprache. Am Anfang dieser Entwicklung stand eine deutsche Lösung, die Geldkarte für das bargeldlose Bezahlen von Kleinbeträgen. Ihr Miterfinder Wolfgang Rankl erzählte auf dem SmartCard-Workshop 2008, dass sie in den 80ern den Magnetstreifen ablösen sollte – und grandios scheiterte. Der Euro war noch nicht in Sicht, darum wurden einander inkompatible nationale Lösungen gestrickt. Die internationale Standardisierung dauerte von 1990 bis 1999, und als es schließlich geschafft war, brauchte niemand die Technik: Die zunehmende Vernetzung der Geschäftswelt verringerte die Attraktivität einer Offline-Lösung auf Null. Das Fazit von Rankl für die Zukunft: "Neue Technologien sind besser zu vermarkten als Verdrängungen bestehender Systeme."

Eine eher unscheinbare Anwendung brachte nämlich den Durchbruch der kontaktgebundenen Smartcard: Die SIM-Karte wurde zum durchschlagenden Erfolg, weil sie die Telefonnummer vom Endgerät entkoppelte. Heute sind SIM-Karten nach Stückzahlen der absolute Renner. Dass die Technik einstmals vor allem deswegen entwickelt wurde, weil man davon ausging, dass es pro Familie nur ein Mobiltelefon geben würde und darum alle Familienmitglieder ihre persönlichen Einstellungen (und das Billing) mitnehmen sollten, sei heute nur noch schwer vorstellbar, meint Rankl.

Auch die kontaktlosen Karten mit RFID-Technologie dümpelten ab 1994 herum, bis das Ticketing bei den Olympischen Spielen von Seoul 1996 den Durchbruch brachte. Endgültig etablieren konnte sich die kontaktlose Technik schließlich mit den elektronischen Reisepässen, die seit 2006 dabei sind, ein Weltstandard zu werden. Die Erkenntnis des Referenten Klaus Finkenzeller: "Neue Technologien etablieren sich am besten in neuen Infrastrukturen."

Die nächste Stufe der Smartcard-Entwicklung betrachtete der dritte Preisträger Wolfgang Elffing. NFC-Chips (Near Field Communication) wandern in die Mobiltelefone und haben damit zwei Vorteile auf ihrer Seite: Sie sind via GSM etc. online und verfügen über ein Display in Gestalt des Telefon-Bildschirmes. Außerdem können sie von den herkömmlichen kontaktlosen Lesegeräten ausgelesen werden, was besonders im Bereich des Ticketing (Nahverkehr) etliche Vorteile bringt. NFC ist eine von NXP, Sony und Nokia entwickelte drahtlose Übertragungstechnik, die die Eigenschaften von RFID und kontaktlosen SmartCards kombiniert. Ein NFC-Gerät kann dabei als Tag, als Lese- und auch als Schreibgerät fungieren. Im Bereich von 13,56 MHz werden über maximal zehn Zentimeter bis zu 424 kBit/s übertragen.

Nachteile gibt es noch im Bereich von sicheren NFC-Karten, da hier die Standards noch nicht festgeklopft sind, doch die Zahl der Anwendungen soll explodieren, seitdem die NFC-Technologie etwa mit einer Micro-SD-Karte komplett mit SmartCard Prozessor ins Handy gesteckt werden kann. Auch hier durfte ein Lehrsatz für die Zukunft nicht fehlen: "Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Chipkarten-Anwendung sinkt mit der Anzahl der beteiligten Parteien."

Nach der launigen Rückschau der Preisträger auf Niederlagen und Erfolge gingen die Teilnehmer des Workshops zur feucht-fröhlichen Preisverleihung mit Bier, Buffet und Jazz über. Ein "kalendarisches Jahrhundertereignis" brachte es mit sich, dass der seit 18 Jahren am ersten Dienstag im Monat Februar stattfindende Workshop sich mit dem Fasching überschnitt. Die nächste Konstellation dieser Art wird 2035 sein. Ob die Frage "Quo vadis Gesundheitskarte", eines der zentralen Themen des diesjährigen Smartcard-Workshops, dann beantwortet werden kann? Nimmt man die Leitsätze der Preisträger, so ist Skepsis angesagt. (Detlef Borchers) / (jk)