Großbritannien will Abhördaten als Beweise zulassen

Daten aus Abhöraktionen, aus der Telefon- oder Internetüberwachung sollen vor Gericht eingesetzt werden, wenn der jeweilige Geheimdienst zustimmt. Bislang ist es in Großbritannien grundsätzlich verboten, Abhördaten als Indizien vor Gericht zu verwenden.

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Von
  • Detlef Borchers

Die britische Regierung hat eine Untersuchung zur Nutzung von Daten aus Abhöraktionen veröffentlicht und das Ergebnis der Untersuchung begrüßt. Danach soll es künftig möglich sein, Daten aus Abhöraktionen, aus der Telefon- oder Internetüberwachung vor Gericht zu benutzen, wenn der jeweilige Geheimdienst dieser Nutzung zustimmt. Bislang ist es in Großbritannien grundsätzlich verboten, Abhördaten als Indizien vor Gericht zu verwenden. In Deutschland dürfen aus gerichtlich angeordneten Abhör- und Überwachungsaktionen gewonnene Informationen vor Gericht verwandt werden; dem Umfang solcher Maßnahmen, vor allem innerhalb einer Wohnung, sind aber Grenzen gezogen. Sollten die Ermittler bei der Überwachung diese vom Gesetz oder vom Gericht gezogenen Grenzen verletzen, dürfen die eventuell gewonnenen Beweise nicht vor Gericht verwandt werden (siehe dazu: Abhören, Überwachen, Durchsuchen – was ist erlaubt bei Verdacht einer Straftat?).

In Großbritannien empfiehlt der sogenannte Chilcot Report nun die Änderung der Verbotspraxis in Prozessen, in denen es um die nationale Sicherheit des Landes und die Abwehr von Terrorgefahren geht. Die Aufhebung des gerichtlichen Verwertungsverbotes von Abhördaten würde nur eine Handvoll Fälle im Jahr betreffen, heißt es im Report. Diese könnten aber effektiver geklärt werden, wenn die Daten von Lauschangriffen, der Telefonüberwachung und des Mitschnitts der Internetkommunikation vor Gericht verwendet werden können. Erforderlich ist dabei das Einverständnis des jeweiligen Geheimdienstes, der dabei überprüfen muss, ob die technischen Methoden der jeweiligen Abhöraktion geheim bleiben.

Die Genehmigung einzelner Abhöraktionen soll dabei nicht verändert werden. Für das Abhören von Wohnungen brauchen die Geheimdienste die Genehmigung einer Überwachungsprüfstelle, sofern nicht Gefahr in Verzug ist. Für das Abhören öffentlicher Plätze ist keine Genehmigung erforderlich. Für den Mitschnitt der E-Mails und des Telefonverkehrs müssen das Innen- oder das Außenministerium spezielle Genehmigungen erteilen.

Unabhängig von der Verschärfung der juristischen Mittel im Kampf gegen den Terror ist in Großbritannien eine Diskussion um die sogenannte Wilson-Doktrin entbrannt. Diese Doktrin schützt Abgeordnete vor Abhörmaßnahmen aller Art. Hintergrund ist der in der letzten Woche bekannt gewordene Fall des moslemischen Unterhausabgeordneten Sadiq Khan (Labour Party). Khan wurde auf Druck der Antiterroreinheit abgehört, als er 2005 und 2006 einen Schulfreund im Gefängnis besuchte, dem die Förderung des internationalen Terrorismus zur Last gelegt wurde. Der Fall, der auch die gemäßigten Moslems in Großbritannien verärgert, soll nach Vorschlägen der Regierung Brown dadurch wegerklärt werden, dass die Wilson-Doktrin nur für Telefonüberwachungsmaßnahmen gelten soll. (Detlef Borchers) / (jk)