Schmerzausschaltung mit genmanipulierten Viren

Ein verändertes Virus soll den Körper chronischer Schmerzpatienten an zentraler Stelle zur Generierung von Unterdrückungswirkstoffen anregen.

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Eine neuartige experimentelle Gentherapie soll Patienten helfen, die unter chronischen Schmerzen leiden – und zwar ohne die lähmenden Nebenwirkungen, die bei traditionellen Wirkstoffen oft auftreten, berichtet das Technologiemagazin Technology Review in seiner Online-Ausgabe. Gezeigt wurde die Technik bislang allerdings nur am Tiermodell. Forscher an der Mount Sinai School of Medicine injizierten dazu Ratten ein Virus, das das Gen für ein endogenes Opioid enthielt.

Dabei handelt es sich um einen vom Körper natürlich produzierbaren Stoff, der eine ähnliche Wirkung wie Schmerzmittel auf Basis von Opiaten wie Morphium entwickelt. Die Gabe erfolgte direkt in die Rückenmarksflüssigkeit in einem Bereich des Nervensystems, der als so genannte Schmerzschranke gilt. "Man kann die Schmerzübertragung schon im Rückenmarksbereich stoppen, sodass die Impulse erst gar nicht das Hirn erreichen", erläutert Projektleiter Andreas Beutler, Juniorprofessor für Hämatologie und medizinische Onkologie an der Mount Sinai-Fakultät. Der Eingriff würde beim Menschen einer Lumbalpunktion entsprechen, einer Prozedur, die recht schnell auch am Krankenbett ohne Vollnarkose vorgenommen werden könnte. Weil das Rückenmark dabei direkt angegangen wird, werden auch die Wirkung der Morphium-artigen Substanz und eventuelle Nebenwirkungen auf einen bestimmten Bereich beschränkt. Gibt man diesen Wirkstoff nur oral oder in Form einer Standardinjektion, dehnt sich der Effekt auf den ganzen Körper aus. Das führt unter anderem zu allgemeinem Unwohlsein, Darmträgheit und Schwächegefühlen.

Sobald das genveränderte Virus in der Rückenmarksflüssigkeit ist, macht es sich auf den Weg zu den Nervenzellen in der Schmerzschranke. Dort verwendet es die Zellmaschinerie des Wirtes, um das gewünschte Opioid-Protein zu erzeugen, das dann die Schmerzsignale auf dem Weg zum Gehirn blockiert. Normalerweise wird dieses Gen vom Körper nur selten verwendet. Doch die für die Therapie entwickelte Version besitzt solche Einschränkungen nicht – es wurde so verändert, dass die Opioid-Moleküle ständig produziert werden. Noch wurde die Methode nur erfolgreich im Tierversuch getestet, Versuche am Menschen fehlen. Ein konkurrierendes Projekt eines schwedischen Pharmaherstellers, das auf einen Herpes-Simplex-Virus setzt, hat immerhin bereits einen Antrag auf klinische Phase-I-Studien bei der US-Gesundheitsaufsicht gestellt. Forscher Beutler wiederum glaubt, dass seine Technik in den nächsten drei Jahren zum Zuge kommen könnte.

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(bsc)