Streit um neuen Standard für nicht-englischsprachige Domains

Bei der IETF wird über den Vorschlag eines neuen Standards für die Abbildung internationaler Schriftzeichen und Konventionen im Domainsystem debattiert.

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Von
  • Monika Ermert

Bei der Internet Engineering Task Force (IETF) wird über die Ablösung der 2003 verabschiedeten Standards für nicht-englische Domains (IDNA 2003) gestritten. Die Initiatoren einer Neufassung weisen auf erhebliche Schwächen des bestehenden Standards hin. Für manche nicht-englischen Schriften sei derzeit keine sinnvolle Abbildung im Domain Name System (DNS) möglich. So fehlten etwa für manche Schriften sowohl einzelne Schriftzeichen als auch die für eine korrekte Darstellung notwendigen Sonderzeichen. Doch auf Seiten der Registries fürchtet man unter anderem, dass die geplanten Vorschläge nur für mehr Verwirrung sorgen. Insbesondere macht die Neufassung eine Reihe von bestehenden Konventionen ungültig.

Sogar von der Internationalisierungsdebatte wenig betroffene deutsche Nutzer könnten mit einem speziellen Problem konfrontiert werden. Das im aktuellen IDNA-Standard nicht enthaltene, beziehungsweise als "ss" abgebildete "ß" steht auf der Liste der möglichen Neuzugänge beim Zeicheninventar. Wer heute darauf vertraue, dass ein "ß" bei einer DNS-Abfrage in "ss" umgewandelt werde und daher seine Kontaktdaten entsprechend an Kunden, Mitarbeiter oder Freunde verteilt hat, muss damit rechnen, dass das "ß" künftig ein Eigenleben hat, warnt etwa Marcos Sanz von der DENIC eG.

Für Sanz ist der Nachweis für die Notwendigkeit eines neuen Standards noch nicht erbracht. Derselben Meinung ist auch sein Kollege Stephane Bortzmeyer von der französischen AfNIC. Bortzmeyer warnte insbesondere, dass der neue Vorschlag den Registries deutlich striktere Vorschriften bei der Umsetzung machen wolle. Dass im Standard selbst festgelegt werden soll, was zur Zeit der Registrierung bei der Registry erlaubt ist, könnte die Registries sehr unflexibel machen, fürchten Vertreter der betroffenen Unternehmen. Teilweise wollen sie etwa Mappings von älteren auf neuere Konventionen erlauben. Zudem lasse sich die Registrierung in der 3. oder 4. Ebene kaum durch solche Maßnahmen einschränken.

Für den neuen Standard schlagen der Mitautor John Klensin und die IDN-Experten Harald Alvestrand und Patrik Fältström eine strikte Klassifizierung akzeptabler und nicht erlaubter Zeichen vor. Erlaubte Zeichen solle wie bisher dem Unicode Standard entstammen, allerdings soll der neue IDNA-Standard nicht mehr an eine Unicode-Version gebunden sein. Letzteres hat vielleicht zu den meisten Problemen des aktuell geltenden Standards geführt. Darüber hinaus wollen die IDN-Befürworter noch acht weitere Klassen von Zeichen einführen.

Teilweise sollen darin Zeichen eingeführt werden, die Sequenzierungszeichen wie Punkt oder Bindestrich in der lateinischen Schrift entsprechen. Teilweise werden Sonderzeichen, etwa musikalische Notierungszeichen, ausgeschlossen. Auch eine Kategorie für Zeichen, die eine besondere Behandlung erfordern, ist vorgesehen, ebenso wie eine leere Klasse, die man auf Vorrat einrichten will. Bis zur Diskussion einzelner Zeichen herab haben sich die Standardisierer gewagt. Dass man am Ende ein perfektes Abbild aller Sprachen im Netz hat, glaubt aber niemand. Schon bei der Vorstellung in Philadelphia machte ein Kenner des Hebräischen darauf aufmerksam, dass durch Restriktionen bei der Kombination von Zahlen und Sonderzeichen in von rechts nach links geschriebenen Domains eine Reihe hebräischer Wörter unmöglich wird.

Ein Haufen Arbeit stehe für die Entwicklung des Standard bevor, sagte Ram Mohan, CTO von Afilias, einer der größten Registries. Während Mohan die Lösung von einer festen Unicode-Variante für dringend geboten hält, warnte er während der Sitzung vor einem Wechsel des Labels xn-- für die Punycode (ASCII)-Repräsentationen nicht-lateinischer Domains. "Das ist keineswegs so leicht zu machen, wie manche behaupten", warnte Mohan. (Monika Ermert) / (vbr)