JAP, die Macher und die nicht mehr so ganz garantierte Anonymität

Um die Protokollierungsfunktion des Anonymisierungsdienstes entbrannten heiße Diskussionen. Die Betreiber des Projektes begründen ihre Entscheidung, die Funktion einzubauen.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Die Reaktionen auf die Protokollierung einzelner Zugriffe auf eine bestimmte Website beim Anonymisierungsdienst AN.ON reichen in der Netzgemeinde von Verständnis für bis zu Empörung über die Kooperation der Betreiber mit den Ermittlungsbehörden. Andreas Pfitzmann, als Informatik-Professor an der TU Dresden Vater des JAP-Projekts, warnt vor "zu pauschalen Urteilen in allen Richtungen"; die Gesellschaft könne nur lernen, wenn sie im Umgang mit Anonymität und Überwachung Erfahrungen mache.

Im Fall der Kinderpornographie sei "einfach klar" gewesen, "dass wir helfen müssen", sagte Pfitzmann. Bei minder schweren Vergehen wäre eine so schnelle Kooperation aus seiner persönlichen Sicht keineswegs selbstverständlich gewesen. "Auch wir als Betreiber machen uns einen Kopf über Wertmaßstäbe und können -- genau wie ein Gericht -- einen Vorgang gegebenenfalls ziemlich lange verschleppen." Die Enttäuschung über die Kooperation mit den Strafverfolgern sei deshalb so groß, sagte Pfitzmann gegenüber heise online, weil "das JAP-Projekt dafür heiß geliebt wird, dass es Anonymität ermöglicht und so einen Gegenpol zu der seit 15 Jahren gemachten Erfahrung darstellt, dass die Anonymität zugunsten einer technisch möglichen Massenüberwachung zurückgedrängt wird."

Pfitzmann hält es für wichtig, eine Balance zwischen Strafverfolgern und ihren Überwachungswünschen sowie dem Recht auf Anonymität zu finden. Die gefundene Protokollierungslösung, die nur durch das JAP-Team durchgeführt werden kann, sei ein "sinnvoller Kompromiss". Hätte das JAP-Team die Kooperation in diesem Einzelfall verweigert, hätte es sich der Strafvereitelung schuldig gemacht, gibt Pfitzmann zu bedenken. Dann hätte die Polizei möglicherweise die Rechner beschlagnahmt und dem Projekt damit ein Ende gesetzt. "In diesem Fall hätte die Polizei aber keinerlei verwertbare Daten erhalten", sagt AN.ON-Projektleiter Hannes Federrath.

Über die Hilfe in Einzelfällen diskutierte das JAP-Team schon vor Monaten, da das Team immer wieder Anfragen seitens der Strafverfolger erreichten. Schließlich entschied es sich für die Entwicklung einer Protokollierungsfunktion, die keine rückwirkende Überwachung ermöglicht. Die Mitarbeiter befanden sich angesichts des vom BKA erwirkten richterlichen Beschlusses in einem Dilemma. Federrath: "Wir sind davon ausgegangen, dass eine öffentliche Erklärung, dass JAP die Besucher einer einzigen Website auf richterliche Anordnung protokolliere, uns den Vorwurf der Strafvereitelung eingebracht hätte." Gleichzeitig habe das JAP-Team aber auch den Open-Source-Gedanken bewahren wollen.

Die Entscheidung, den Quellcode der neuen Version ins Netz zu stellen, sei daher unumstößlich gewesen, sagt auch Andreas Pfitzmann. Marit Hansen, AN.ON-Projektleiterin beim Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein, betont, dass in einem Open-Source-Projekt eine Überwachungsfunktion eben auch Open Source sei, allerdings werde nicht angezeigt, was überwacht werde. Der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Helmut Bäumler weist darauf hin, dass das Projekt von Anfang an dem Argwohn und der Skepsis vieler Mitarbeiter von Sicherheitsapparaten im In- und Ausland ausgesetzt war. Dies habe sogar dazu geführt, dass AN.ON nicht nur in polizeilichen Publikationen angegriffen, sondern einzelne Mitarbeiter der TU Dresden sogar von der Polizei zur Vernehmung vorgeladen wurden. Gegenüber Kritikern aus der Netzszene sagt er: "Gewisse Sicherheitskreise würden sich vermutlich am meisten freuen, wenn die Betreiber von AN.ON jetzt resignieren und die Garantie des anonymen Internet-Zugriffs einstellen würden." Diesen Gefallen wollen die Betreiber von AN.ON den Kritikern nicht tun. Deshalb werde AN.ON weiterlaufen.

Bäumler appelliert: "Diejenigen, denen die Anonymität im Internet wirklich ein Anliegen ist, sollten sich kritisch mit dem polizeilichen Vorgehen auseinander setzen und AN.ON unterstützen, statt in den Betreibern von AN.ON den 'Hauptgegner' zu sehen. Nicht AN.ON gefährdet die Anonymität, sondern rechtlich fragwürdige polizeiliche Eingriffe in den Betrieb von AN.ON." Für Bäumler wäre denn eher "zu hinterfragen, wieso eine Entscheidung des Amtsgerichts über die Beschwerde nun schon über sechs Wochen auf sich warten lässt". (Christiane Schulzki-Haddouti) / (uma)