Haftungsfragen trotz Offenlegung der LKW-Maut-Verträge ungeklärt

Juristen müssen jetzt klären, ob das Betreiberkonsortium Toll Collect mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat und deshalb für die Pannenserie haftbar gemacht werden kann.

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Von
  • han

Obwohl Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe gestern den Kernteil des Vertrages mit dem Toll-Collect-Konsortium im Bundestag offengelegt hat, bleiben wichtige Fragen zur Haftung für die Pannenserie bei der Einführung der deutschen LKW-Maut in den vergangenen Monate ungeklärt. Der Großteil des 17.000 Seiten umfassenden Vertragswerkes bleibt unterdessen der Öffentlichkeit weiterhin verschlossen.

Aus dem knapp 200 Seiten starken Dokument wird ersichtlich, dass Toll Collect ab dem 1. Dezember für jeden Tag, an dem das System nicht ordnungsgemäß funktioniert, eine "verschuldensunabhängige" Vertragsstrafe von 250.000 Euro zahlen muss. Ab dem siebten Monat nach dem geplanten Starttermin verdoppelt sich diese Summe. Den derzeitigen monatlichen Einnahmeverlusten des Bundes von mehr als 150 Millionen Euro stünde damit ab Dezember ein Regressanspruch von 7,5 Millionen und ab April eine Zahlung von 15 Millionen Euro pro Monat gegenüber. Auch die Termine sind im Vertragswerk festgelegt: Bis 21. Mai sollte das satellitengestützte System stehen, bis 15. Juni sollte das Funktionieren überprüft sein und bis Mitte August der Probebetrieb laufen. Ab 31. August sollte für Lastwagen über zwölf Tonnen eine Gebühr von durchschnittlich 12,4 Cent pro Autobahn-Kilometer fällig werden. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung will Toll Collect den Start des Mautsystems inzwischen erst zum 31. August 2004 garantieren. Die Mauterhebung würde sich also noch deutlich länger verzögern als bislang vermutet.

Laut Vertrag sind "neben diesen Vertragsstrafen weitere Vertragsstrafen oder eine verschuldensabhängige Haftung ausgeschlossen". Erste Versuche der Regierung, von Toll Collect weitere Zahlungen zu fordern, bezogen sich allerdings auf die im Vertrag explizit erwähnte "Haftung aus bedingtem Vorsatz": Sollte man Toll Collect nachweisen können, dass am geplanten Starttermin festgehalten wurde, obwohl frühzeitig klar war, dass der Termin nicht eingehalten werden kann, will der Bund der deutsch-französischen Firmengruppe die gesamten Einnahmeverluste in Rechnung stellen. Gleiches gilt, wenn Toll Collect nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen hat, den Termin zu halten. Die Juristen des Betreiberkonsortiums halten diese Rechtsposition allerdings für "nicht haltbar".

Im Vertrag ist auch ein Kündigungsrecht für den Bund festgesetzt, falls nicht bis zum 15. Dezember 2003 nachgewiesen ist, dass das Mautsystem funktioniert. Sollte der Bund diese Option ziehen, kann er Schadenersatz für die entgangenen Mauteinnahmen fordern oder über eine so genannte Call Option Teilstücke des Systems oder das ganze Unternehmen übernehmen. Trotz der zahlreichen Pannen hat das Verkehrsministerium allerdings versichert, weiterhin mit Toll Collect zusammenarbeiten zu wollen.

Zu den Hintergründen der Mauteinführung und ihret technische Umsetzung siehe die aktuelle c't:

  • Verursacherbedingt verspätet -- Das "fortschrittlichste Mautsystem der Welt" und die Realität, c't 22/2003, S. 92

(han/c't) (pmz)