(Netz-)Spielräume für Europas Forscher
Irgendwann einmal soll es möglich sein, dass der Wissenschaftler überall im Netz zu Hause ist.
Irgendwann einmal soll es möglich sein, dass ein Wissenschaftler überall im Netz zu Hause ist. Von jedem Rechner in Europas Forschungslandschaft aus -- und wenn es geht, auch darüber hinaus -- soll er sofort und ohne komplizierte Tunnel-Protokolle Zugang zu seiner Rechnerkonfiguration und seinen Daten haben. Beim Gigabit-Forschungsnetz Géant arbeiten Europas Netzwerker daran.
Das Netz, für das die Europäische Kommission und die Mitgliedsländer in den kommenden vier Jahren 200 Millionen Euro locker machen, dient einerseits dem Austausch großer Datenmengen, zum Beispiel bei Erdbebensimulationen. Daneben will man führend im Bereich Hochleistungsnetze sein. 16 mal 10 Gigabit bietet Géant derzeit Forschern in Europa an; dazu kommen Gigabit-Links zu den großen Forschungsnetzen in USA (Internet2), Kanada (Canarie), China (Cernet), Korea und Japan (WIDE) und Lateinamerika (CLARA). Kürzlich starteten die Forschungsnetze in einer konzertierten Aktion mit dem ungetunnelten, nativen IPv6-Betrieb. Auch hier war Géant die treibende Kraft. Begeistert schwärmt man bei der Kommission in Brüssel davon wie auch im US-amerikanischen Internet2 die letzten IPv6-Tunnel "aufgebohrt" wurden.
Die Kommission legt für die "europäische Erfolgsgeschichte" knapp die Hälfte des Jahresbudgets von 50 Millionen hin. Die andere Hälfte übernehmen die beteiligten nationalen Forschungsnetze entsprechend einem komplizierten Schlüssel, der sowohl die Anforderungen an Bandbreite als auch geographische Besonderheiten -- etwa Preis für die Konnektivität in den einzelnen Ländern -- berücksichtigt. Ein Ausgleichsfaktor sorgt dafür, dass es für Länder, in denen das Netz teurer eingekauft werden muss, erschwinglich bleibt.
Etwa genau soviel wie bisher soll auch in den kommenden vier Jahren ausgegeben werden. Die Kommission verhandelt dazu gerade mit den Mitgliedsländern über G2, das Nachfolgeprojekt. G2 sieht den Anschluss weiterer nationaler Forschungsnetze zwischen Island und dem Kaukasus vor. Ganz neu mit von der Partie ist zum Beispiel Bulgarien. Auf die laufende Ausschreibung für Netzkapazitäten haben zwischen 60 und 70 Carrier reagiert -- das Projekt gilt inzwischen als gute Referenz.
Laut Dany Vandromme, Chef der 29 Mitarbeiter von Géant, ist eine der nächsten Aufgaben, jedem einzelnen Forscher und Student an jeder einzelnen der angeschlossenen Forschungsinstitutionen -- 3500 sind es allein bei Géant -- den Zugriff auf die Arbeitsumgebung an seiner Heimuniversität zu ermöglichen. Das scheitert in erster Linie noch daran, dass IPv6 zwar automatisch eine IP-Adresse für das neu angeschlossene Gerät vergibt, aber keinen Netzwerknamen, der dann im DNS erkannt wird.
Bernhard Fabianek, Netzwerk-Experte bei der Europäischen Kommission, nennt außerdem den Zugriff der angeschlossenen Forschungsinstitutionen auf Rechnerkapazitäten der anderen Mitglieder als ein wichtiges Ziel. Bei Bedarf soll man sich bei nicht ausgelasteten Rechenzentren bedienen können. Die über Géant verbundenen nationalen Forschungsnetze sollen zudem weiter integriert und Interfaces geschaffen werden, damit die End-to-End-Laborverbindung funktioniert. "Das geht natürlich Schritt für Schritt einher mit der Schaffung eines europäischen Forschungsraums", sagt Fabianek. Um den Forschern Spielräume in ihrem Netz zu geben, plant man auch, nur einen Teil der Kapazitäten als geroutetes Netz einzukaufen und den Rest den Forschern mit Ethernet-Switches für flexible Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zur Verfügung zu stellen. (Monika Ermert)/ (tol)