ETech: Das eBook ist tot – lang lebe das eBook!

Science-Fiction-Autor Cory Doctorow hat keine Angst vor dem Verbreiten seiner Bücher im Netz -- er hält elektronische Ausgaben für eine notwendige Ergänzung des gedruckten Buchs.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Janko Röttgers

Cory Doctorow ist vielen Netz-Nutzern als Mitherausgeber des Weblogs Boing Boing und als Mitarbeiter der Electronic Frontier Foundation (EFF) bekannt. Auf der O'Reilly Emerging Technologies Conference (ETech) trat er jedoch nicht als Blogger oder Netz-Aktivist, sondern als Autor und eBook-Experte auf. Doctorow hat mittlerweile drei Science-Fiction-Bücher bei verschiedenen US-Verlagen veröffentlicht. Parallel zum klassischen Papierprodukt veröffentlichte er alle drei Werke als freie Downloads auf seiner Website. Die härteste Aufgabe eines Autors sei es, Werbung für sich zu machen, meinte Doctorow dazu. Buch-Downloads könnten dies erheblich vereinfachen. So wurde sein Anfang letzten Jahres veröffentlichtes Erstlingswerk "Down and Out in the Magic Kingdom" seinen Angaben zufolge mehr als 300.000 Mal aus dem Netz geladen. Im Buchhandel verzeichnete das Werk bisher rund 10.000 Verkäufe -- eine ansehnliche Zwischenbilanz für einen Newcomer in einem Nischen-Genre.

Doch Doctorow wollte eBooks nicht allein als Marketing-Gag verstanden wissen. "eBooks ergänzen gedruckte Bücher", erklärte er. Sie ließen sich leichter austauschen, durchsuchen und transportieren. Bücher seien längst nicht mehr nur ein fassbares Objekt, sondern eine kulturelle Praxis. "Allein die Papierausgabe eines Buchs zu besitzen wird bald so sein, als ob man nur einen Teil des Buchs besitzt", prophezeite er. Gleichzeitig erlaubten eBooks einen ganz anderen gesamtgesellschaftlichen Umgang mit Wissen. Keine Bibliothek der Welt könne alle Bücher umfassen, niemand könne alle Bücher lesen. Doch Suchmaschinen wie Google könnten elektronische Bücher indizieren und damit ganz neue Formen des Zugriffs und der Kontextualisierung ermöglichen.

Angst vor eBook-Piraterie sei jedoch fehl am Platz, befand Doctorow. Er wundere sich sowieso darüber, dass Leute einerseits der Meinung seien, eBooks würden nicht funktionieren, und andererseits Angst vor eBook-Piraterie haben könnten. Und er sei schockiert darüber, dass manche Autoren Provider in die Pflicht nehmen wollten, um die Verbreitung ihrer Werke über Bookwarez-Newsgroups zu verhindern. "Autoren sollten doch eigentlich Verfechter der Redefreiheit sein." Scheinbar würden einige seiner Kollegen das Recht auf freie Meinungsäußerung lieben, doch sie seien nicht gewillt, andere daran teilhaben zu lassen.

Doctorow selbst bedient sich der Lizenzen des Creative Commons Project zur Veröffentlichung seiner Werke und ermuntert seine Leser dazu, diese in neue Formate zu konvertieren. Mit Erfolg: Sein neuestes Buch "Eastern Standard Tribe" steht bereits in 20 verschiedenen Dateiformaten zum Download bereit. Auf der Konferenz erklärte er dazu: "Das einzige entscheidende Format ist ASCII als offenes Format." Zum Abschluss seiner Präsentation hatte Doctorow seinen Zuhörern noch ein kleines Geschenk mitgebracht -- er verkündete neue Lizenzierungsbedingungen für seinen Roman-Erstling "Down and Out in the Magic Kingdom". Der wichtigste Unterschied: Nun ist es seinen Lesern auch möglich, Veränderungen am Werk vorzunehmen, so lange sie das Ergebnis nicht kommerziell verwerten und unter den gleichen Lizenzbedingungen veröffentlichen. Dies dürfte unter anderem bedeuten, dass es bald auch eine deutsche Übersetzung des Buchs gibt. Anlässlich der ersten Online-Veröffentlichung vor einem Jahr habe er vorsichtig seinen Zeh ins Wasser gehalten, meinte Doctorow. Damals sei ihm das aber vorgekommen wie ein Kopfsprung, doch letztlich sei ihm nicht der Himmel auf den Kopf gefallen. Und weiter: "Mal sehen, was passiert, wenn ich bis zu den Knien ins Wasser gehe."

Zur O'Reilly Emerging Technologies Conference siehe auch:

(Janko Röttgers) / (jk)