Datenschützer warnt vor überzogenem Kampf gegen den Terror

Wenn letztlich die eigene Bevölkerung wie Terroristen behandelt werde, "dann haben die Terroristen das Ziel erreicht, die freiheitliche Ordnung zu vernichten", meint der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch.

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Von
  • dpa

Beim Kampf gegen den weltweiten Terrorismus drohen nach Ansicht des hessischen Datenschutzbeauftragten Michael Ronellenfitsch Schäden für die Demokratie. Aus Angst vor Anschlägen würden derzeit alle Formen der Datenerhebung und -vernetzung akzeptiert, sagte Ronellenfitsch heute in Wiesbaden bei der Vorlage des hessischen Datenschutzberichtes für 2003. Wenn dabei letztlich die eigene Bevölkerung wie Terroristen behandelt werde, "dann haben die Terroristen das Ziel erreicht, die freiheitliche Ordnung zu vernichten".

Datenschutz-Defizite sieht Ronellenfitsch vor allem im privaten Bereich und nicht so sehr im öffentlichen. In Hessen habe es im vergangenen Jahr im öffentlichen Bereich keine spektakulären Verstöße gegen die Bestimmungen geben. Es sei im Zusammenspiel von Landesregierung und Parteien gelungen, Eingriffe schon abzuwehren, wenn sie drohten. "Im Lande Hessen klappt es einigermaßen", so sein Fazit.

Grundsätzliche Probleme sieht Ronellenfitsch unter anderem bei der Forderung nach der "gläsernen Verwaltung" mit mehr Akteneinsicht, dem Informationsaustausch im Internet und beim Einsatz von Überwachungs- Videokameras. Wer Akteneinsicht fordere, müsse berücksichtigen, dass sie Informationen von Bürgern enthalten können. Es dürfe nicht sein, dass Daten über Nachbarn abgerufen werden könnten.

Bestimmte Internet-Angebote hält Ronellenfitsch für problematisch, weil sie die Entwicklung von Persönlichkeitsprofilen derjenigen ermöglichen, die sich beteiligen. Die inzwischen in vielen Kaufhäusern, Hotels, Tiefgaragen, Fahrstühlen und auf Privatgrundstücken installierten Video-Kameras dürften nicht eingesetzt werden, um beispielsweise Nachbarn auszuspähen.

Zu den im Bericht hervorgehobenen Problembereichen gehört die Telearbeit, das Massenscreening zur Aufklärung von Straftaten, das Neugeborenen-Screening und die Behandlung von Einwendungen bei Planfeststellungsverfahren. Bei der Telearbeit am heimischen PC sollten keine sensiblen Informationen beispielsweise über Disziplinar- oder Steuerverfahren bearbeitet werden. Es nehme ja auch niemand Akten mit solchen Daten mit nach Hause, sagte Ronellenfitsch.

Er mahnte außerdem eine Rechtsgrundlage für Massenscreenings an, bei denen mit Hilfe von DNA-Analysen ganzer Bevölkerungsgruppen Straftaten aufgeklärt werden. Ob die Teilnahme an diesen Verfahren wirklich wie behauptet freiwillig ist, sei keineswegs eindeutig. Schließlich mache sich verdächtig, wer nicht teilnimmt. Das Neugeborenen-Screenig sieht der Datenschützer positiv, weil damit Stoffwechsel- und Hormonstörungen aufgedeckt werden können. Es müsse aber sichergestellt werden, dass die Blutproben nicht zum Aufbau einer Gen-Datenbank benutzt werden können. Künftig werden die Daten und Blutproben aller Neugeborenen in Hessen in einem Screening-Zentrum an der Universität Gießen zentral für ganz Hessen erfasst.

Teilnehmer an Planfeststellungsverfahren müssen künftig besser als bisher darauf hingewiesen werden, dass ihre Einwendungen anonymisiert werden können. Viele Einwender bei dem Verfahren zum Bau der A-380-Wartungshalle auf dem Frankfurter Flughafen hätten das nicht gewusst, so Ronellenfitsch. Dabei enthielten manche Einwendungen sensible persönliche Informationen beispielsweise über den Gesundheitszustand, wenn besondere Empfindlichkeit gegen Lärm geltend gemacht wird, oder über den Wert von Immobilien, der beim Bau der Halle sinken könnte. (dpa) / (anw)