EinfĂĽhrung neuer Ausweispapiere als "gigantischer Labortest"

Das Büro für Technikfolgenabschätzung hat einen zweiten Sachstandbericht zum Thema "Leistungsfähigkeit, politische Rahmenbedingungen und rechtliche Ausgestaltung" von "Biometrie und Ausweisdokumenten" vorgelegt.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hat einen zweiten Sachstandbericht zum Thema "Leistungsfähigkeit, politische Rahmenbedingungen und rechtliche Ausgestaltung" von "Biometrie und Ausweisdokumenten" (PDF) vorgelegt. Die Einführung der neuen Ausweispapiere werde "ein gigantischer Labortest", prophezeit Co-Autor Thomas Petermann. Zunächst brauche es eine Reihe von Pilotprojekten, um an Erfassungs- und Kontrollstellen die konkreten Praixsanforderungen herauszufinden. Auch auf der Produktionsebene seien Anpassungsprozesse nötig. Petermann sieht "dicke Fragezeichen hinsichtlich des Umstellungsprozesses, der gesellschaftlichen Akzeptanz und der konkreten Systemanforderungen bei den Erfassungs- und Kontrollstellen".

Nach der Verabschiedung des "Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus" sollte das TAB die Voraussetzungen und Implikationen der im Gesetz eröffneten Möglichkeit, biometrische Merkmale in Ausweispapiere in verschlüsselter, maschinenlesbarer Form aufzunehmen, genauer untersuchen. Offiziell wird der Bericht Anfang Mai im Forschungsausschuss des Bundestags vorgestellt. Der Sachstandbericht geht davon aus, dass die Einführung einer neuen Ausweis-Generation mit kontaktlosen Chips rund 670 Millionen Euro kosten würde. Bei den laufenden Kosten würde sich der aktuelle Finanzbedarf um jährlich 610 Millionen Euro erhöhen.

Derzeit verfügen drei Verfahren, nämlich die Gesichts-, Iris- und Fingerabdruckerkennung über eine in etwa vergleichbare technische Leistungsfähigkeit. Die Handgeometrie fällt demgegenüber etwas ab. Das optimale biometrische Verfahren gebe es nicht, sagte Petermann gegenüber heise online. Unter dem Aspekt des Organisationsaufwandes betrachtet sei die Gesichtserkennung die praktikabelste Option, da Lichtbilder ausreichender Qualität auf dem Ausweisdokument für die automatische Analyse genutzt werden können. Für Fingerabdruck-, Handgeometrie- und Iriserkennungs-Verfahren müsse hingegen eine komplette Erhebung der biometrischen Daten der deutschen Bevölkerung erfolgen. Dann wäre es bei einer dezentralen Erfassung notwendig, alle Meldestellen und Bürgerbüros mit biometrischen Systemen auszurüsten und das Personal zu schulen.

Es mangele vor allem an einer offenen Informationspolitik, kritisiert Petermann. Da die Weichenstellungen immer schneller erfolgten, sei es hierfür höchste Zeit. Das Spannungsfeld zwischen dem Ziel Sicherheit sowie den Zielen Schutz der Privatsphäre und Begrenzung des Missbrauchspotenzials solle offen diskutiert und durch technische und rechtliche Maßnahmen reduziert werden. Angesichts der internationalen Standardisierung gebe es aber kaum noch Wahlmöglichkeiten. Entschieden werde in Technical Advisory Committees der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO, so Petermann, dabei seien die ICAO-Gremien demokratisch nur schwach legitimiert.

Die ICAO wird demnächst einen Vorschlag verabschieden, wonach ab 2006 alle Länder Reisepässe ausstellen können, deren biometrische Daten sich über einen RFID-Chip aus zehn Zentimeter Entfernung auslesen lassen. Als biometrisches Merkmal bestimmte die ICAO schon vor vier Jahren die Gesichtserkennung. "Aussagen über Manipulationssicherheit und Haltbarkeit können wegen fehlender Großanwendungen und Tests noch nicht gemacht werden", heißt es in dem Bericht.

Eine Speicherung der Daten in einem zentralen Register ist für Bundesbürger zurzeit gesetzlich ausgeschlossen, die Einrichtung zentraler Referenzdateien für Ausländer aber nicht. Eine solche zentrale Datenspeicherung wäre jedoch aus Sicht des Datenschutzes problematisch. Dies gilt grundsätzlich auch für die Speicherung in dezentralen Registern. "Die Speicherung in Chipform ist zwar aufgrund der erforderlichen Produktionsumstellung das aufwendigste Verfahren, sie bietet aber ein größeres Anwendungspotenzial", so der Bericht. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (anw)