Fortschritte für Linux in Afrika und China, Rückschritte in Frankreich

Frankreich will mit "Aden Mandrakelinux" afrikanischen Ländern kostengünstige Cybercentren ermöglichen und kooperiert mit China bei Linux; die Hauptstadt Paris will derweil weder auf "100% Linux" noch "100% Microsoft" setzen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 254 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Das französische Außenministerium hat am gestrigen Dienstag in Paris das Softwarepaket "Aden Mandrakelinux" vorgestellt, mit dem afrikanische Länder kostengünstige Cyberzentren errichten können, in denen wiederum die Bevölkerung kostenlos surfen können soll. Das in drei Sprachen (Französisch, Portugiesisch, Englisch) verfügbare Paket wurde im Rahmen des Entwicklungshilfeprojekts ADEN (Appui au Désenclavement Numérique, in etwa "Hilfe zur Überbrückung der digitalen Kluft") zusammen mit dem französischen Linux-Distributor Mandrakesoft entwickelt. Mit dem Paket sollen auf Kosten der französischen Regierung 60 Internet-Zugangsplätze von Personen eingerichtet werden, die nicht unbedingt über umfassende Computerkenntnisse verfügen. Getestet wird zunächst in Yaoundé in Kamerun, danach sollen Aden-Helfer aus 13 afrikanischen Staaten den Internet-Zugang in ihre Länder tragen. Das Softwarepaket soll außerdem über die Website von Aden verteilt werden. "Das Projekt zeigt, wie wunderbar sich Linux und freie Software adaptieren lassen", erklärt Francois Bancilhon, Chef von Mandrakesoft. "Sie kommen bei einer großen Bank in Singapur genauso zum Einsatz wie in einem Cybercafe in Burkina-Faso. Freie Software wird so zur Lingua Franca der Informationsgesellschaft."

Die Bekanntgabe der Afrika-Connection kommt wenige Tage nach der Bekanntgabe eines Außenhandelsabkommens mit der Volksrepublik China im Werte von 4 Milliarden Euro, das der französische Präsident Chirac am vergangenen Samstag in Peking unterzeichnete. Im Rahmen dieses Abkommens, von dem unter anderem Alstom und Airbus profitieren, schloss die französische Atomenergiebehörde CEA (Commissariat à l'énergie atomique) zusammen mit Bull (Server) und STMicroelectronics (Desktops) einen Vertrag mit dem chinesischen Wissenschaftsministerium ab, der die Entwicklung und Auslieferung einer Linux-Distribution vorsieht, die speziell an die chinesischen Bedürfnisse angepasst sein soll. Das adaptierte Linux soll auf Servern, Desktops und PDAs laufen.

Am gestrigen Dienstag veröffentlichte das französische Beratungsunternehmen Unilog (ehemals MachFirst) schließlich eine lang erwartete Studie, die die Stadt Paris zur Grundlage einer Entscheidung nehmen wollte, ob sie mit 17.000 Rechnern, 400 Servern und 600 Anwendungen nach Linux migrieren soll. Mit einem Etat von bis zu 160 Millionen Euro soll die Pariser IT-Installation in den Jahren 2005 bis 2007 grundlegend erneuert werden. 75% des Rechnerbestandes gelten als veraltet. Bisher ist Paris vor allem mit Microsoft-Software versorgt, nur das Projekt Lutece, ein Informationsportal der Pariser IT-Abteilung, ist unter einer BSD-ähnlichen Lizenz erschienen.

Die ursprünglich für März 2004 erwartetete Studie wurde mehrfach verschoben und zurückgezogen, unter anderem deshalb, weil Microsoft seine Angebote revidierte und im Frühsommer einen 60%-igen Rabatt auf alle Microsoft-Produkte während der ersten drei Jahre nach ihrer Installation offerierte. Als Linux-Generalunternehmer brachte sich schließlich die Firma Nexedi ins Gespräch, die mit Thin Clients und einem Linux-Desktop das Microsoft-Angebot nochmals um 25% oder 4,6 Millionen Euro unterbieten wollte.

Während die Unilog-Studie im kleinen Rahmen der Spezialisten vorgestellt wurde, verkündete der Pressesprecher der IT-Verwaltung gegenüber der Tageszeitung Libération bereits, dass man einen dritten Weg gehen wolle und weder auf "100% Linux" noch "100% Microsoft" setzen werde. Auf keinen Fall solle ein radikaler Bruch erfolgen. Die nunmehr erschienene Unilog-Studie beziffert den Kostenanteil an Microsoft-Software auf 57 Millionen Euro. Microsoft würde den teuersten Weg anbieten, heißt es in der Studie. Die endgültige Entscheidung soll in Paris Anfang 2005 gefällt werden. Den für französische Verhältnisse bisher radikalsten Bruch hat der französische Zoll vollzogen, der auf seinen ca. 16.000 Desktops Microsoft Office durch Open Office ersetzt hat. (Detlef Borchers) / (jk)