Elektronische Gesundheitskarte erst 2007?

Ärztevertreter erklärten, der Einführungstermin 1. 1. 2006 sei nicht mehr zu halten. Derweil bringen sich verstärkt die Banken mit einer Tochtergesellschaft der Gesellschaft für Zahlungssysteme für Kartenausgabe und als Prüfinstanz ins Gespräch.

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Von
  • Detlef Borchers

Die schlechten Nachrichten rund um die elektronische Gesundheitskarte reißen nicht ab -- und das nicht nur auf Grund angeblicher Finanzdebakel. Nach der Einigung zwischen Regierung und medizinischer Selbstverwaltung, die Gesundheitskarte in einer neu zu gründenen Forschungs- und Projektgesellschaft zu realisieren, scheint die Zeit davonzulaufen. Gegenüber der Ärztezeitung erklärte Andreas Köhler, Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dass der stets genante Termin, die Karte im Wahljahr 2006 einzuführen, nicht realistisch sei. Realtistischer sei vielmehr, dass die Karte allen Versicherten und Ärzten erst 2007 zur Verfügung stehen werde.

Eine Begründung für seine Einschätzung gab der Ärztevertreter nicht. Mit der neuen Forschungs- und Projektgesellschaft soll eigentlich der ursprüngliche Starttermin gerettet werden. In dieser Organisation haben Vertreter des Bundesministeriums nur eine beratende Funktion, außerdem gilt auf Seiten der Selbstverwaltung nicht mehr das Prinzip der Einstimmigkeit. Auf diese Weise sollen Beschlüsse zur elektronischen Gesundheitskarte schneller umgesetzt werden können. Allerdings muss das ganze Projekt noch den Segen des Bundesrates erhalten. Hier gilt die Annahme, dass die unionsregierten Länder die Karte stoppen werden, um der Regierung im Wahljahr 2006 keine Gelegenheit zu geben, mit der Gesundheitskarte zu punkten.

Die elektronische Gesundheitskarte und die korrespondierenden Karten für Ärzte und Apotheker, die so genannten Heilberufsausweise, stellen eine große Herausforderung für die Kartenhersteller da. Die Karten mit Prozessorchip und Arbeitsspeicher (den "Fächern" für das elektronische Rezept, die Notfalldaten und weitere Funktionen) sollen mit einem Foto des Versicherten, des Arztes oder des Apothekers personalisiert sein. Allein der logistische Aufwand, die Fotos von 70,2 Millionen Versicherten und ca. 370.000 Heilberuflern zu besorgen und anzubringen, ist enorm.

Beharrlich bewerben sich darum die Banken neben den Krankenkassen um die Kartenausgabe. Sie sehen in der Karte eine gute Möglichkeit zur Kundenbindung, zumal die beabsichtigte Anbringung der digitalen Signatur auf der Gesundheitskarte eine Leitfunktion für elektronische Geschäfte in Deutschland haben soll. In der Debatte um die Gesundheitskarte hat sich darum auch die Intelligent Risk Management Solutions GmbH (IRS), eine Tochtergesellschaft der Gesellschaft für Zahlungssysteme (GZS), zu Wort gemeldet. Die GZS prüft bei einer Transaktion die Gültigkeit von EC- und Kreditkarten und möchte nun eine ähnliche Prüffunktion für die elektronische Gesundheitskarte anbieten, bei der im Gegenzug auf die Anbringung eines Fotos verzichtet werden kann. "Unser Vorschlag ist, die erfolgreichen Autorisierungsmechanismen aus dem bargeldlosen Zahlungsverkehr auf die eGK zu übertragen. Dabei werden bei jedem Arzt- oder Apothekenbesuch die Kartendaten über eine Telefonleitung an ein Autorisierungszentrum übertragen. Dort wird die Validität der Karte technisch und mit intelligenter Transaktionsanalyse in Echtzeit überprüft. Der Aufdruck eines Fotos auf die eGK kann entfallen", heißt es im Papier der IRM/GZS.

Die Erfahrungen, dass Fotos auf Kredit- und Bankkarten kaum dazu beitragen, den Kartenmissbrauch zu reduzieren, haben die deutschen Banken nach Auskunft der IRM bereits hinter sich, seitdem solche Karten vor einigen Jahren getestet wurden. "Schon nach kurzer Zeit konnten wir feststellen, dass es keinen merkbaren Unterschied zwischen Karten mit und ohne Foto gab, was die durchschnittlichen Missbrauchszahlen anging. Der Ansatz erwies sich streng gerechnet sogar als kontraproduktiv -- die Produktion der Karten mit Foto ist natürlich teurer. Als Konsequenz sind die Kreditkarten mit Foto heute nicht mehr sehr weit verbreitet bzw. handelt es sich um ein optionales, nicht verpflichtendes Angebot an den Kunden, welches er zumeist selbst bezahlen muss", erklärte der zuständige Produktmanager der IRS, Nikolaus Bayer, gegenüber heise online.

Ob der Verzicht auf das Foto die Entwicklung und spätere Produktion der elektronischen Gesundheitskarte so beschleunigt, dass der Termin zum 1. 1. 2006 doch gehalten werden kann, wird nun in der Forschungs- und Projektgesellschaft diskutiert.

Zu IT-Großprojekten wie der Gesundheitskarte und ihrem Scheitern siehe auch die aktuelle Ausgabe von c't (seit Montag, den 1. November, im Handel):

  • E-Voting in den USA, c't 23/04, S. 100
  • Das Casino-Prinzip, Warum IT-Großprojekte scheitern, c't 23/04, S. 218
  • Was Softwaretechnik leisten kann - und was nicht, c't 23/04, S. 224

Zur elektronischen Gesundheitskarte und der Reform des Gesundheitswesens siehe auch: