Neuer Infineon-Chef darf keine Zeit verlieren

Viel weitere Zeit zur Orientierung bleibt Wolfgang Ziebart nicht. Der derzeit laufende Aufschwung der Halbleiter-Branche hat auch nach seiner Einschätzung den Höhepunkt schon wieder überschritten.

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Von
  • Axel Höpner
  • dpa

Der neue Infineon-Chef Wolfgang Ziebart hat keine Zeit zu verlieren. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt zur Vorstellung der Jahres-Geschäftszahlen bat der 54-Jährige zwar am heutigen Dienstag um Verständnis dafür, dass er gut zwei Monate nach seinem Amtsantritt noch keine umfassende strategische Neuorientierung vorlegen könne. "Die Bestandsaufnahme bei Infineon habe ich noch nicht vollständig abgeschlossen." Viel Zeit zur Orientierung bleibt ihm aber nicht. Der derzeit laufende Aufschwung der Halbleiter-Branche hat auch nach Einschätzung Ziebarts seinen Höhepunkt schon wieder überschritten. Hohe Investitionskosten, nachlassende Nachfrage und Druck auf die Erträge -- all das werde in der gebeutelten Branche schon bald wieder Alltag sein.

Ziebart gilt als technisch ausgesprochen versiert. Als bisheriger Vize des Reifenherstellers Conti kennt er sich vor allem in der Automobilelektronik gut aus, die eines der wichtigsten Standbeine von Infineon ist. Während aber die Autobranche vergleichsweise stabil ist, sind die weltweit aktiven Halbleiter-Konzerne brutalen Zyklen unterworfen. So hat Infineon von 2001 bis 2003 rund 2,5 Milliarden Euro verloren. Dem steht im derzeitigen Branchenaufschwung für das Geschäftsjahr 2003/04 ein magerer Gewinn von 61 Millionen Euro gegenüber. Diese Situation sei unbefriedigend, stellte Ziebart fest.

Um dies zu ändern, hat sich Ziebart seit dem 1. September intensiv im Unternehmen umgesehen. "In den neun Wochen seit meinem Amtsantritt habe ich nahezu alle Produktionsstandorte in Europa, Asien und Amerika besucht, um mir schnell ein möglichst umfassendes Bild des Unternehmens zu verschaffen", berichtet er. Dabei ist er zu dem Schluss gekommen, dass es Sinn ergibt, an den drei Konzernsäulen Auto und Industrie, Kommunikation und Speicher festzuhalten. In Zukunft werde Infineon nur Geschäfte weiter betreiben, mit denen sich auch in schlechten Zeiten Geld verdienen lasse. Dabei ist Ziebart auch für den Speicherbereich, zuletzt für einen Großteil der Verluste bei Infineon verantwortlich, zuversichtlich. "Auch der Speicher muss kontinuierlich Geld verdienen, und das ist nicht unmöglich."

Ziebarts Vorgänger Ulrich Schumacher, der Ende März gehen musste, hatte teilweise verbrannte Erde hinterlassen. Sein Führungsstil galt als selbstherrlich, mit der IG Metall überwarf er sich komplett. Ziebart will die Stimmung wieder verbessern. "An allen Standorten habe ich äußerst kompetente Mitarbeiter und eine hohe Motivation vorgefunden." Eine seiner wichtigsten Aufgaben werde es sein, "eine Unternehmenskultur zu gewährleisten, in der unsere Mitarbeiter eigenmotiviert arbeiten können".

Allerdings befürchtet Infineon-Aufsichtsrat Dieter Scheitor von der IG Metall, dass Ziebart wie sein Vorgänger Schumacher nicht zimperlich ist, wenn mit Hilfe von Stellenstreichungen oder der Verlagerung von Produktion ins Ausland die Rendite verbessern werden kann. "Was die soziale Seite anbetrifft, hat er gerade bei Continental recht raubeinig agiert." Ziebart ließ am Dienstag offen, ob das neue Sparprogramm, dessen Details unklar blieben, mit weiterem Stellenabbau verbunden ist. Zumindest einen Beschäftigten möchte Infineon in absehbarer Zeit jedenfalls loswerden: Laut Ziebart hat sich der Aufsichtsrat noch immer nicht mit Schumacher auf die Modalitäten der Vertragsauflösung geeinigt. "Schumacher steht noch auf unserer Gehaltsliste." (Axel Höpner, dpa) / (jk)