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Was war. Was wird.

Kaum beginnt das Jahr, kommen die Revolutionen, bereitet die IT-Branche ihre jährliche Märzrevolution und die USA die kommende Freiheitsrevolution vor. Hal Faber sieht die Dämonen heraufziehen.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Eine Woche habe ich gegrübelt, wie man die Klickerei auf die tanzenden WWWWs, das Merkzeichen dieser kleine Kolumne, verbessern kann. Bill Gates über Kommunismus an zwei Wochenenden hintereinander, das kann einfach nicht getoppt werden. Jedenfalls nicht mit Argumenten. Nein, da muss schon die älteste Strategie der Welt her, und so singen wir mit der Gebrüder Engel Band über den heißen Poser: "Er macht mich an." Um es mit dem Fäule-Ton auf den Punkt zu bringen: Zwei Bilder sind es, zwei Bilder nur, die das Genre der Strapse tragenden Secretaries auf Schreibtischen voller PC-Technik mit einer Lässigkeit transzendieren, die heterotopisch die Negation aller Benutzeroberflächen vorwegnehmen, wenn der Antirealismus der Gefühle durchbricht.

*** Wenn die Technik posiert, wandert der Geiz in die Hose, das weiß man doch aus der Werbung. Kann dieser laszive Blick, diese Lümmelei auf Windows 1.0 mit einem Mac verschämt im Hintergrund noch getoppt werden? Eigentlich ist nur noch diese Nachricht, dass der dritte Band da ist und endlich erklärt, wie das so ist mit dem tendenziellen Fall der Profitrate, auf gleicher Höhe wie die Studie des Softwarearchitekten als junger Mann. Womit Gates und der dialektische Materialismus, trickreich verbandelt den Rückblick auf eine Woche einleiten. Es ist schön auf der Welt zu sein, sagt der Igel zu dem Stachelschwein ... Und erinnert sich an den Jahrestag des Beginns einer Revolution, die unter Führung des Popen Gapon eigentlich gar nicht als solche gedacht war, ihre Apotheose jedoch nach von vielen mit Fug und Recht bezweifelter Ansicht Lenins in der Oktoberrevolution, ganz sicher aber ästhetisch in einem inhaltlich wie formal revolutionären Film fand.

*** Nicht mehr auf dieser Welt ist Claude Chappe, der heute vor 200 Jahren gestorben ist. Ich habe an dieser Stelle schon einmal über ihn geschrieben, als 210 Jahre zuvor seine Erfindung, der Flügeltelegraf und die verschlüsselte, mit Prüfsummen abgesicherte Nachricht, vor der Nationalversammlung vorgestellt wurde. Chappe stellte seine Technik in den Dienst der Aufklärung, verlangte aber auch, dass jeder Bürger gegen eine Gebühr mit dem Telegrafen kommunizieren und der Staat diese Nachrichten nicht zensieren darf. Was natürlich ignoriert wurde. So sehen wir, wie sich die Zeiten ändern und doch wieder nicht. Das gezielte Ausfiltern ist strafbar und wird dennoch an einer baden-württembergischen Hochschule praktiziert. Zu denken gibt auch die Arbeit von Deutschlands freundlichstem Geheimdienst, der mit seinem nicht öffentlichen Arm Mails entschlüsselt und ein schickes Museum mit Enigmas und Hagelin-Maschinen unterhält.

*** So ist das eben mit den Eliten: Während diejenige dieses unseres Landes über orientierungslose Jugend klagt, kommen ein paar norddeutsche Hauptschüler daher und demonstrieren auch ohne die Weihen der höheren Mathematik Lust auf geistige Herausforderungen. Anfangend mit der örtlichen Lehrerschaft forderten die PISA-Image-Geschädigten als krönenden Abschluss hochdekorierte Bundestagspolitiker zum Wettkampf in simulierter Staatsführung -- und gewannen. Nicht dass es ihnen hülfe: Die Parlamentarier in Land und Bund trugen die Niederlage zwar mit patronisierender Würde oder wenigstens gediegenem Sarkasmus ("Wir sind ja schon froh, dass wir wenigstens im (Spiel-)Industrieland keine Revolution verursacht haben"), doch das Volk, dem man auch im Heise-Forum aufs Maul schauen kann, machte die Lage überdeutlich. "Die lieben Kinder" sollten gefälligst erst "rechnen, lesen und schreiben lernen. Die Fähigkeiten der Hauptschülern mit denen der Mitgliedern des Bundestages zu vergleichen", sei jedenfalls Irrsinn. Das wahre PISA ist im Kopf. Und ist es nicht im Kopf, dann ist es nirgendwo -- könnte man mit leichtem Gruseln frei nach Andre Heller schlussfolgern.

*** Nun muss man nicht erst einen salbadernden Österreicher heranziehen, um die Ansicht vertreten zu können, dieses Land sei auf den Hund gekommen. Aber halt: Viel Kritik kam bereits in der letzten Woche zu eben diesem Satz. Gemeint war das Tamtam um die Hündin Daisy des Modisten Moshammer, welchselbiger auch unter den lebensbejahenden DFÜ-BenutzerInnen der Bayrischen Hackerpost eine Kultfigur gewesen ist. Ich wusste es nicht, wie mir so Vieles vom landestypischen Brauchtum unter den Maibäumen und in den Biergärten nachgerade kryptographisch verschlossen ist. Aber was nach der Festnahme des Mörders in der Politik über die Ausweitung der DNA-Test gefaselt wird, das ist verständlich und klar erkennbar ein Angriff auf bürgerliche Freiheiten. Nur seltsam, dass der Protest gegen die Stimmungsmache aus Schleswig-Holstein kommt. Und dass einer der besten Kommentare zu Moshammer aus Hamburg stammt und in einer Finanzzeitung steht, die sich eigentlich mehr um den Widerstand gegen den tendenziellen Fall der Profirate kümmert. Die Schöne neue DNA-Welt, wer will sie denn außer ein paar Sicherheitsfetischisten?

*** In anderen Teilen der Welt scherte man sich nicht besonders um den von einem Iraker umgebrachte Mosi. In den USA war die Inauguration von George W. Bush wichtiger. Es gehört zu den sinnigen Zufällen, dass Dostojewskis Dämonen kurz vor der Rede Bushs beim Projekt Gutenberg erschienen, aus denen sich der Redenschreiber des US-Präsidenten bediente: "Because we have acted in the great liberating tradition of this nation, tens of millions have achieved their freedom. And as hope kindles hope, millions more will find it. By our efforts we have lit a fire as well, a fire in the minds of men. It warms those who feel its power; it burns those who fight its progress. And one day this untamed fire of freedom will reach the darkest corners of our world." Das Feuer in den Köpfen der Menschen: Wer erinnert sich da nicht an die Szene aus den Dämonen, in der Gouverneur von Lembke vor seinem brennenden Haus steht, die Löscharbeiten verfolgt und die Verhaftung der Nihilisten fordert: "Das Feuer ist in den Köpfen dieser Menschen, nicht im Gebälk des Hauses. Verhaftet ihn und lasst das Haus niederbrennen!" In seiner zweiten Amtszeit will George W. Bush Messias sein. Da sind Kontakte zum Teufel unvermeidlich. Lasst den Irak niederbrennen, es gibt noch andere Länder. Und eine Koalition der Gutwilligen findet sich immer.

*** Zwei Sonntage weiter weg feiert diese kleine Wochenschau ihren 5. Geburtstag (hat jemand besondere Themenwünsche?). Bekannt und bei manchen Lesern berüchtigt wurde sie mit dem schier endlosen Geläster über die Bobos der neuen Ökonomie, diesen Entrepreneuren, denen eher das Wort Synergieeffekte über die Lippen kommt, denn ein einfaches Dankeschön. Die Humankapital im großen Stil verbrauchten. Nun kommen welche wieder, um die volle Opulenz der Medien mit ihrem Spam zu bewerfen, bis uns das Hören und Sehen von Klingeltönen vergangen ist. Andere zocken das Geld für thailändische Flutopfer ab. Wie wohltuend ist da doch die neue Bescheidenheit der neuen Unternehmer, wenn sie verkünden, dass sie kein dickes Auto und Maßanzüge brauchen, sondern einfach nur ihren Lebensunterhalt sichern wollen, indem sie uns ausspionieren. Bescheiden kommen die neuen Überwacher an, und verkünden, dass alle ihren Spaß haben wollen, wenn die Pille rollt. Das Runde ins Eckige machen sie auf dem Rasen, während ringsum die Versuchskaninchen jubeln.

*** Ganz schlimm steht dieser Tage Hewlett Packard da. Nun muss das Unternehmen in Deutschland neben seinen Personalcomputern weiter Abgaben für seine Drucker und Multifunktionsgeräte zahlen, wie viele andere Hersteller auch. Ist es da nicht verständlich, wenn sich der Hersteller wehrt und Regionalcodes für Druckerpatronen einführt, die ohnehin teurer als Öl sind? Sollten diese Regionalcodes kommen, sind sie immerhin ein leuchtendes Beispiel dafür, warum das Thema Digital Rights Management wichtiger ist als die Eroberung eines Ölfeldes durch tapfere Freiheitskämpfer.

Was wird.

Ich ende wie ich angefangen habe, mit dem räkelnden Bill Gates. Niemand "schupst" diesen Mann so leicht vom Schreibtisch wie das ein kleiner PC mit Autoradio und Fernseher in Hamburg getan haben soll. Nein, die Rede ist nicht von der Keksdose, sondern von neuen Centrinos, die im Einbauschacht der Mini Coopers auf der CeBIT rockig röhren sollen. Im ganzen Land sind die Vorschauen zur aufregendsten Messe der Welt in der aufregendsten Stadt der Welt (Hannover rulez!) angelaufen. Dabei startet zunächst einmal das Weltwirtschaftsforum in Davos unter dem aufregenden Motto Taking Responsibility for Tough Choices, wie es eigentlich nur die Sendung mit der Maus erklären kann: Das ist der Bill. Er ist der reichste Mann der Welt. Aber das stört ihn nicht. Deshalb kann er täglich harte Entscheidungen treffen. Zum Beispiel die, gleich nach Davos nach München zu fliegen und dort das Haus der Gegenwart einzuweihen. Das Potenzial des Hauses war Antrieb genug für Microsoft in einer Umgebung, in der Limux wächst und Wienux Nachbar ist. Ja, das Haus der Gegenwart ist keines dieser überall herumstehenden Zukunftshäuser, weil in einem Gegenwartshaus natürlich nur handelsübliche Technik unter Windows eingesetzt werden kann. Raffiniert, nicht wahr? Wir wünschen eine reibungslose Eröffnung ohne die blauen Schirme der Vergangenheit. (Hal Faber) / (jk)