Mehr Auskunftsrechte für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg

Das Landesamt für Verfassungsschutz soll zur Terrorbekämpfung im Verdachtsfall auch bei Finanzdienstleistern, Postdienst- und Luftfahrtunternehmen sowie bei Telekommunikationsanbietern Auskünfte einholen dürfen.

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  • dpa

Die CDU/FDP-Landesregierung will dem Verfassungsschutz in Baden-Württemberg mehr Befugnisse im Kampf gegen den Terrorismus geben. Der entsprechende Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, das Brief- und Postgeheimnis zu lockern, teilte das Innenministerium am Donnerstag in Stuttgart mit.

Kritik an der Novelle äußerte der Landesdatenschutzbeauftragte Peter Zimmermann. Sie gehe in einigen Punkten weit über das hinaus, was auf Bundesebene oder in anderen Ländern geregelt sei, sagte Zimmermann der dpa. Er bezog sich auf den Entwurf, der ihm vom Ministerium zur Stellungnahme gegeben worden war. Dagegen meinte der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Braun, das Land habe sich zu lange Zeit gelassen, um bundesrechtliche Bestimmungen umzusetzen. Thomas Oelmayer (Grüne) forderte, für die Bekämpfung des Terrorismus eine zentrale Stelle auf Bundesebene einzurichten.

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) soll im Verdachtsfall auch bei Finanzdienstleistern, Postdienst- und Luftfahrtunternehmen sowie bei Telekommunikationsanbietern Auskünfte einholen dürfen. Der Geheimdienst soll dadurch Erkenntnisse über Reisewege, Kommunikationsstrukturen und Finanzströme der Terroristen gewinnen. "Wir können den Kampf gegen den internationalen Terrorismus nur gewinnen, wenn die für innere Sicherheit zuständigen Behörden in der Lage sind, verwertbare Erkenntnisse über Strukturen und Strategien von Terroristen zu gewinnen", sagte Innenminister Heribert Rech (CDU).

Verfassungsschutzpräsident Helmut Rannacher äußerte sich erfreut, dass die Befugnisse seiner Behörde erweitert und präzisiert würden. "Ein Wermutstropfen ist, dass die Wohnraumüberwachung nach dem ablehnenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht dabei ist", fügte Rannacher hinzu. Diese Möglichkeit der Observation wäre gerade im Kampf gegen den Islamismus ein wichtiges Mittel gewesen.

Der Entwurf sieht auch vor, dass Dateien des Verfassungsschutzes mit Angaben über ehemalige extremistische Gewalttäter künftig 15 Jahre statt bisher 10 Jahre lang gespeichert werden. Damit sollen die so genannten "Schläfer" schneller aufgespürt werden. Daten von Jugendlichen sollen weiterhin nach fünf Jahren gelöscht werden. Zudem ist geplant, das Beobachtungsrecht der Verfassungsschützer auf Gruppen auszuweiten, die "das friedliche Zusammenleben der Völker" in Reden oder Veröffentlichungen angreifen.

Zimmermann kritisierte unter anderem, dass die Altersgrenze für das Speichern von Erkenntnissen über Jugendliche von 16 auf 14 Jahre gesenkt werden soll: "Das kann nicht mit der Bekämpfung des Terrorismus begründet werden." Auch könne die Berufsgruppe der Jäger nicht generell unter Terrorismusverdacht gestellt werden. Der Verfassungsschutz soll in Zukunft auch mitwirken bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung von Menschen nach dem Jagdrecht.

Der Regierungsentwurf für ein neues Verfassungsschutzgesetz wird den zuständigen Gremien zur Überprüfung vorgelegt und danach in den Landtag eingebracht. Rech bezeichnete den Terrorismus als weltweite Bedrohung. Es sei nicht auszuschließen, dass auch Baden-Württemberg das Ziel terroristischer Angriffe werde. Allerdings lägen derzeit keine konkreten Hinweise dafür vor. Das Land habe nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA ein Sofortprogramm zur Terrorbekämpfung aufgelegt. Unter anderem sei beim Landesamt für Verfassungsschutz die "Kompetenzgruppe Islamismus" mit Sprach- und Islamwissenschaftlern eingerichtet worden. (dpa) / (jk)