Computer-Schach: Deep Blues Nachfolger gegen Vizeweltmeister

1997 schlug der Schach-Spezialrechner Deep Blue den damaligen Weltmeister Garri Kasparow in einem Match über sechs Partien und wurde sofort danach demontiert.

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Von
  • Lars Bremer

1997 schlug der Schach-Spezialrechner Deep Blue den damaligen Weltmeister Garri Kasparow in einem Match über sechs Partien und wurde sofort danach demontiert. Heute spielen nach Ansicht vieler Experten, darunter auch Kasparow selbst, ganz normale PC-Programme wie Shredder oder Fritz viel besser als damals Deep Blue. Aber auch die Großmeister haben sich mittlerweile auf die Schwachpunkte der Software eingeschossen, wie die unentschiedenen Matches zwischen Kramnik und Fritz, Kasparow und Junior sowie Kasparow und Fritz zeigten. Zeit also für eine neue, in Hardware gegossene Schach-Spezialmaschine, die die Menschen das Fürchten lehrt?

An genau so einem Projekt arbeitet die Pal Group of Companies aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ihr Hydra getauftes Programm machte bereits durch einen Matchsieg gegen das stärkste PC-Programm Shredder und durch Siege gegen starke Großmeister von sich reden. Vom 21. bis 26. Juni 2005 tritt Hydra gegen den Vizeweltmeister der Schachorganisation FIDE, den Briten Michal Adams an. Adams, derzeit die Nummer sieben in der Welt, wird sechs Partien gegen das Hardware-Monster spielen. Zu gewinnen gibt es für ihn 25.000 US-Dollar für jede Partie, in der er Hydra schlägt. Remispartien werden ihm mit 10.000 US-Dollar versüßt, für eine Niederlage bekommt der Großmeister gar nichts. Den Kontrahenten stehen pro Partie jeweils 100 Minuten für die ersten 40 Züge und 50 Minuten für die nächsten 20 Züge zur Verfügung. Sollte die Partie bis dahin noch nicht beendet sein, erhalten sie nochmals 15 Minuten für die restlichen Züge, wobei jeder gespielte Zug einen Zeitaufschlag von 30 Sekunden einbringt.

Hydra läuft auf einem Linux-Cluster mit 32 Dual-Xeon-Rechnern, in denen insgesamt 32 mit einem VirtexII-Pro 70 ausgerüstete FPGA-Karten ADM-XP-70 der Firma alpha data stecken. Der darauf enthaltene PowerPC-Core wird aber von Hydra (noch) nicht genutzt. Die Arbeitsweise ähnelt der von Deep Blue: Hydra durchsucht den Spielbaum auf den beteiligten PCs per Software bis zu einer bestimmten Tiefe und übergibt die erreichten Endstellungen an die FPGA-Karten. Diese hängen noch eine kurze Suche dran, bewerten die resultierende Stellung und übergeben wieder an die PC-Software, die dann mit anderen Varianten das Gleiche macht. Die Schwierigkeit an dieser Technik ist die Redundanz: Es ist nicht gerade einfach, eine Suche im Spielbaum zu parallelisieren, ohne Berechnungen dabei doppelt und dreifach ausführen zu müssen. Für die Koordinierung der der Rechner hat sich die Pal Group daher einen Spezialisten ins Boot geholt, Dr. Ulf Lorenz von der Universität Paderborn, der seit Jahren auf diesem Gebiet forscht. Für die FPGA-Programmierung ist Dr. Chrilly Donninger zuständig, der seit Anfang der 90er Jahre Schachprogramme entwickelt, das Eröffnungsbuch des Programms betreut der deutsche Großmeister Christopher Lutz.

Nach den Aussichten seines Babys befragt, sagte Donninger gegenüber heise online: "Prognosen, die die Zukunft betreffen, sind immer riskant. Es hängt auch davon ab, wie sich Adams vorbereitet. Ich glaube, am Ende wird er ziemlich in den Seilen hängen. Sechs Tage hintereinander auf vollen Druck spielen ist sehr hart. Mein Wunschresultat ist 3.5 zu 2.5 für Hydra. Der worst-case ist 0:6, aber 6:0 wäre fast genauso schlimm. Wobei wir natürlich nichts unternehmen werden, um es künstlich spannend zu machen." Viel hinge auch davon ab, ob die Spieler ihnen genehme Stellungen erreichen könnten. Während Hydra im offenen Schlagabtausch glänzt, wird sich Adams in eher geschlossenen Stellungen wohler fühlen: "Computerschach und menschliches Schach sind zwei verschiedene Spiele, die zufällig auf demselben Brett mit denselben Figuren ausgetragen werden. Es kommt darauf an, welches Spiel gespielt wird." Ein ausführliches Interview mit Chrilly Donninger hat die Fachzeitschrift CSS Online geführt. (Lars Bremer) / (jk)