"Von dem Akustikschock haben wir uns nicht erholt"

Nach der Entscheidung, die defizitäre Handysparte aus dem Siemens-Konzern auszugliedern, mehren sich die Fragen, warum es soweit kommen musste. Knackpunkt sei die Einführung der neuen 65er-Handyserie im vergangenen Sommer gewesen, meint das Management.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 221 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Axel Höpner
  • dpa

Zumindest Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger stellt dem neuen Siemens-Chef Klaus Kleinfeld nach drei Monaten im Amt ein vorzügliches Zeugnis aus. "Der Kandidat erhält zehn von zehn Punkten", lobt Neubürger mit Blick auf die insgesamt stabile Ertragslage. Die Öffentlichkeit aber hat vor allem die kriselnde Handysparte im Blick, für die der neue Chef noch keine endgültige Lösung präsentiert hat. Nach erneuten hohen Verlusten mit den Handys zieht Kleinfeld jetzt die Notbremse, um das leidige Thema vom Tisch zu bekommen. "Ich bin nicht bekannt dafür, die Füße auf den Tisch zu legen, in die Luft zu gucken und zu hoffen, dass sich eine Lösung findet", sagt der 47-Jährige. Daher wird die Handysparte nun ausgegliedert. Ist ein Partner für das Geschäft gefunden, wird sich Siemens voraussichtlich in eine Minderheitsposition zurückziehen.

Kleinfeld, anfangs als "Wunderknabe" gefeiert, hat einen holprigen Start hinter sich. Am ersten Arbeitstag als Vorstandsvorsitzender musste er die Streichung von mehr als 1300 Arbeitsplätzen verkünden. Dann fiel Journalisten auf, dass der Konzern aus dem Antrittsfoto Kleinfelds eine Rolex-Uhr herausretuschiert hatte. Zudem wuchs der Druck, rasch eine Lösung für die Handysparte zu finden, die jeden Tag mehr als eine Million Euro Verlust macht.

Auch bei der Halbjahres-Pressekonferenz dominierten denn die Fragen nach der Handysparte. "Das ist leider ein hausgemachtes Thema, da können wir niemanden für verantwortlich machen", räumte ein Siemens-Manager ein. Kleinfeld und Neubürger sehen das ähnlich. Knackpunkt sei die Einführung der neuen 65er-Handyserie im vergangenen Sommer gewesen. Wegen eines vergleichsweise harmlosen Akustikfehlers -- ein lauter Warnton, wenn während des Telefonierens der Akku leer ging -- rief Siemens die ersten Geräte zurück. Die Markteinführung verzögerte sich, die Durchschnittspreise sanken. "Von dem Akustikschock haben wir uns nicht erholt", sagt Neubürger.

Die Probleme hatte Kleinfeld von seinem Vorgänger Heinrich von Pierer geerbt. Allerdings war er im vergangenen Jahr zwischenzeitlich direkt für das Geschäftsfeld verantwortlich. Um die Dauerkrise zu beenden, greift er nun zu radikalen Mitteln. Siemens ist bereit, sich mehrheitlich aus dem Handygeschäft zu verabschieden, auf das gerade Pierer lange Zeit stolz war. Ein Mehrheits-Partner soll zudem unter bestimmten Voraussetzungen auch die Rechte an der Marke Siemens bekommen. Wichtig ist Kleinfeld vor allem, dass es -- unter wessen Führung auch immer -- weiter Handys mit der Marke Siemens gibt und dass möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Wenn Kleinfeld in den nächsten Wochen oder Monaten die endgültige Lösung präsentieren kann, wird sich der Blick stärker auf die anderen Geschäftsbereichen konzentrieren. Hier setzte sich der Neue an der Spitze ehrgeizige Ziele. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen alle Geschäftsbereiche die hochgesteckten Rendite-Ziele erreichen, die Pierer ihnen einst gesetzt hatte. Während es lange im Konzern hieß, es gebe immer offene Baustellen, sollen nun rasch alle Geschäfte gleichzeitig auf Kurs gebracht werden. Kleinfeld deutete auch an, dass er sein persönliches Schicksal mit diesem Ziel verknüpft. "Ich bin immer so gestrickt gewesen, dass man persönliche Verantwortung übernimmt." (Axel Höpner, dpa) / (pmz)