30 Jahre ESA

Die vor allem auch auf französische Initiative hin gegründete europäische Raumfahrt-Agentur kann heute auf 30 weitgehend erfolgreiche Jahre zurückblicken.

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Von
  • Andreas Stiller

Während die Europapolitik gerade einen Rückschlag mit dem französischen "Non" zur EU-Verfassung versetzt bekam, kann die vor allem auch auf französische Initiative hin gegründete europäische Raumfahrt-Agentur ESA heute auf 30 weitgehend erfolgreiche Jahre zurückblicken. 71 eigene Raumfahrtmissionen und 50 Beteiligungen an internationalen Missionen -- sowohl mit der NASA als auch mit der russischen Raumfahrtbehörde -- stehen zu Buche. Den ein oder anderen spektakulären Fehlschlag musste die ESA auf ihrem Weg auch einstecken, wobei glücklicherweise keine Menschenleben zu beklagen waren.

An der ESA beteiligen sich derzeit die Raumfahrtorganisationen von 16 europäischen Ländern, in diesem Jahr wird sich noch Luxemburg hinzugesellen. Neben (älteren) EU-Staaten sind auch die Schweiz und Norwegen mit dabei. Kanada, Ungarn und Tschechien arbeiten im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen an bestimmten ESA-Programmen mit.

Gegründet wurde die European Space Agency am 31. Mai 1975 vor allem auf Betreiben der französischen Regierung, die eine von den USA und der UdSSR unabhängige Möglichkeit haben wollte, Satelliten ohne irgendwelche Auflagen in den Weltraum zu bringen. Zuvor gab es bereits die getrennten europäischen Organisationen ESRO (für Satellitenentwicklung) und ELDO für Trägerraketen. Letztere hatte aber wenig Fortune mit ihren Europa-Raketen -- letztlich vor allem wegen Ausfalls der dritten, in Deutschland entwickelten Stufe. Die Starts wurden dann aus der australischen Wüste (Woomera) nach Kourou in Französisch-Guayana verlagert, wo die Raketen wegen der höheren Bahngeschwindigkeit der Erde in der Äquator-Nähe einen etwas höheren Schub mit auf den Weg bekommen. Aber zum allgemeinen Gespött legte hier auch die neue Feststoffrakete Europa II am 6. November 1971 einen Fehlstart hin. Das Projekt wurde daraufhin eingestampft.

Die dreieinhalb Jahre später gegründete ESA entwickelte dann unter französischer Federführung die Ariane-Rakete, die zu Weihnachten 1979 erfolgreich abhob. Doch der zweite Start mit dem deutschen Forschungssatelliten Firewheel an Bord ging im Februar 1980 dann wieder schief. Mit wechselhaftem Erfolg lief es weiter -- der 5., 14., 18., 36. (die erste Ariane 4), 63. und 70. Einsatz misslang, dann aber konnte die Ariane 4 die Rekordzahl von 70 Starts in Folge ohne Probleme absolvieren -- bis zum Jungfernflug der neuen Ariane 5 am 6. Juni 1996, die wegen eines simplen Softwarefehlers wenige Sekunden nach dem Start gesprengt werden musste. Sechs Jahre später, am 11. Dezember 2002 erlitt die auf 10 Tonnen Nutzlast erweiterte Ariane 5 ECA ein ähnliches Schicksal, was das Ariane-Programm -- unter anderem mit der Erkundungssonde Rosetta -- ins Schleudern brachte. Just an dem Tag wurde der neue ESA-Direktor Jean-Jacques Dodain auserkoren, der seit Juli 2003 für vier Jahre im Amt ist.

Mit einem finanziellen Kraftakt -- eine Aufstockung auf insgesamt fast eine Milliarde Euro -- wurde das Ariane-Programm aber gerettet. Rossetta kam mit einem Jahr Verspätung am zweiten März 2004 mit der Flugnummer 158 auf den langen Weg in Richtung des Ziel-Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko (da war Flug 162 bereits abgewickelt). Der letzte Start einer Ariane 5 fand mit Flugnummer 164 im Februar 2005 statt. Wie es mit der Ariane-Raketenentwicklung weitergehen soll, ist derzeit unklar. Diskutiert werden Erweiterungen auf 12 Tonnen Nutzlast sowie eine wiederverwendbare Version.

Die Raketen-Entwicklung gehört zu dem "fakultativen" Programm der ESA, welche einzelne Mitgliedstaaten zusätzlich zum Weltraumforschungsprogramm (1,9 Milliarden Euro 2002-2006) und der allgemeine ESA-Haushalt (919 Millionen Euro) aufbringen. Der obligatorische Haushalt wird durch Beiträge im Verhältnis des Bruttosozialproduktes der Mitgliedstaaten finanziert. Weitere milliardenschwere fakultative Programme mit unterschiedlichen Beteiligungen sind das Erdforschungsvorhaben EOEP-2 (1,7 Milliarden), Satellitenkommunikation ARTES (1,5 Milliarden), Navigations-System Galileo (ESA-Anteil allein 500 Millionen) sowie das ISS-Einsatzprogramm (970 Millionen).

Derzeit bereitet sich ESA-Astronaut Thomas Reiter auf seinen geplanten Langzeiteinsatz in der ISS vor. Er sollte eigentlich mit dem Space Shuttle Atlantis (SST121) im Juli starten und ein halbes Jahr an Bord der ISS verbleiben. Doch der Space-Shuttle-Start verzögert sich offenbar bis mindestens September, zuvor soll Discovery die Space-Shuttle-Flüge nach der Katastrophe der Columbia erst wieder aufnehmen. Wann dann ein Space Shuttle den ESA-Teil der ISS, das Labor-Modul Columbus, mit in den Raum nimmt, ist auch noch unklar. Um die Versorgung der ISS zu verbessern, will die ESA im nächsten Jahr auch den ersten unbemannten Frachttransporter (ATV: Automatic Transfer Vehicle) namens Jules Verne zur ISS senden. Zu den großen wissenschaftlichen Erfolgen der ESA gehörte die Landung der Huygens-Sonde auf dem Saturn-Mond Titan im Januar dieses Jahres; ein Projekt, das zusammen mit der NASA durchgeführt wurde, welche das Mutterschiff Cassini dafür bereitstellte.

Auch der Mars-Express war erfolgreich, wiewohl der Landeversuch mit der Sonde Beagle 2 scheiterte. Aber die hochauflösenden Kameras, das Fourier-Spektrometer sowie weitere Messgeräte an Bord des Mars-Express, der ebenso wie der Global Surveyor der NASA im Mars-Orbit kreist, haben schöne Bilder und eine Fülle neuer Erkenntnisse über den Nachbarplaneten geliefert. Auch den nächstgelegenen Trabanten, den Mond, hat die ESA mit dem SMART-1 seit einigen Monaten unter Beobachtung. Der neuartige Ionenantrieb brauchte zwar ein Jahr, um die Sonde dorthin zu bringen, aber dafür bieten Ionenantriebe ein deutlich besseres Nutzlastverhältnis als herkömmliche Antriebe.

Und mit voller Spannung schaut Jubilar ESA auf den nächsten geplanten Express: den Venus Express, dessen Start in einer russischen Trägerrakete von Baikonur aus für Oktober vorgesehen ist. (as)