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Was war. Was wird.

Wir leben in der endgültig letzten Epoche der Menschheit. Eine Wahlmöglichkeit hätte es vor 60 Jahren gegeben, nun läuft die Uhr. So geht das, zitiert Hal Faber und schließt das Sommerrätsel mit Software-Fragen ab.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Alvarez, Bethe, Bohr, Fermi, Feynman, Lawrence, Morrison, von Neumann. Oppenheimer, Peierls, Rabi, Seaborg, Serber, Serge, Szilard, Teller, Ulam, Weisskopf, Wigner: Hiroshima, Nagasaki. Seit dem 6. August 1945 leben wir in der endgültig letzten Epoche der Menschheit. Ein danach wird es für uns antiquierte Menschen nicht geben. Unsere Uhr läuft ab. Die wahrscheinlich größte Ansammlung von genialischen Forschern brachte uns die Atombombe. "Wir Wissenschaftler hätten eine Wahlmöglichkeit aufzeigen müssen. Das haben wir nicht getan", erklärte später der Vater der Wasserstoffbombe.
Vielleicht hätte eine Demonstration in der Bucht von Tokio gereicht. Aber in Europa war der eine Krieg zu Ende, der andere, der kalte, hatte schon begonnen. Hiroshima und Nagasaki erlebten das Höllenfeuer am Ground Zero, man sprach vom Holocaust an der Zivilbevölkerung. Heute sind die Begriffe weiter gewandert. Ground Zero liegt seit 4 Jahren in New York, vom Holocaust ist dann die Rede, wenn es um die Vernichtung der Juden geht. Und Explosionen finden nur noch im Computer statt. Garantiert. Zing.

Zing?

*** Von den Folgen der Bomben, die das Leben von Hunderttausenden im Lichtblitz ausknippsten, mit schwarzem Regen vergifteten oder sie einfach verbrannten, durfte lange Zeit nicht berichtet werden. Mit George Weller gab es einen mutigen Journalisten, der sich mit einem Boot nach Nagasaki bringen ließ und eine erschütternde Reportage schrieb, die niemand lesen konnte. Die amerikanische Militärzensur verhinderte dies. Heute wäre das nicht mehr möglich. Denn heute haben wir ja Blogger, die dafür sorgen, dass sich Nachrichten verbreiten: "Sie werden sich unaufhörlich weiter verbreiten. Menschen sprechen mit Menschen, von Hirn zu Hirn. Es gibt keine Rasse, kein Geschlecht, kein Alter, nur die Wahrheit", deliriert Louis Rosetto. Die edlen Blogger helfen der absoluten Wahrheit ans Licht und sind mit ihrem Tun selbst noch bei den Kollateralschäden edel, aufrichtig und klug: "Der Nebeneffekt der Blogger ist das Phänomen, dass Blogging die alten Medien mit ihrer Mainstream-Berichterstattung tötet, die wir seit der Ankunft der Telegrafen, der Druckpresse, der Schienen haben." Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus werden gleich mitentsorgt, denn diese sind für Rossetto auch ein Produkt der Massenmedien. So geht das. Und es demonstriert zumindest, dass Blogger genauso krampfhaft denken können wie Redakteure, die glauben, eine witzige Meldung gefunden zu haben. Getoppt wird all dies nur noch von wahrhaft intensiv betriebenener Redaktionsarbeit des Nachrichtendienstes für IT-Professionals.

*** So gibt es also Blogs und Müll, und das nicht zu knapp Doch Müll, gepriesen vom Müllmann, wird darum noch lange nicht zum edlen Stoff der hehren Kommunikation von Hirn zu Hirn. Vor 400 Jahren, irgendwann Ende Juli oder Anfang August 1605, erschien die vermutlich erste gedruckte Zeitung der Welt, die "Relation aller fürnemmen und gedenckwürdigen Historien" des Straßburgers Johann Carolus. Die Zeitung ist nicht mehr erhalten, wohl aber ein Gesuch des Druckers, der allen anderen Buchdruckern in Straßburg auf 10 Jahre hinaus verbieten wollte, Nachrichten zu drucken, die Stadtboten Woche für Woche vorlasen: Journalismus begann als Zusammenschau, als Relation, als Blog der Denck- und Merkwürdigkeiten, und Zeitung war nichts anderes als das altdeutsche Wort für Nachricht. Journalismus sollte als Konkurrenzausschluss beginnen, doch das wurde laut Straßburger Ratsprotokoll "rundt abgeschlagen": begierig auf Relationen, Wollte man mehr und mehr Nachrichten.

*** In Hannover fielen die Chaos-Tage mal wieder ins Wasser. Und heute geht auch das kleine Sommerrätsel, dessen erste Frage bereits gestellt wurde, hier zu Ende, während anderswo große Zeitungen ihr Sommerrätsel starten und groß damit werben, dass die Fragen Google-resistent gestellt werden.

Zum Thema Software hier links ein Ausschnitt aus dem vermutlich ältesten Programm der Welt -- wie immer öffnet sich beim Anklicken der Bilder eine vergrößerte Ansicht. Worum handelt es sich?

*** Wie es seine Management-Berater mit Hilfe einer Offsite-Syntegration erkannt haben, steckt die Brockhaus-Enzyklopädie in einer Krise. Sie bewirkt, dass sich ein Mitarbeiter aus dem ehrwürdigen Glashaus aufmachen muss und zur Wikimania der Wikipedia eine mangelnde Verlässlichkeit ausstellen muss. Dabei verlässt sich der PR-Mann auf die Expertise von Gigamäusen, die 12 Artikel der Wikipedia annagten, dabei Schwierigkeiten mit der LaTex-Darstellung hatten und aus den Fehlern eine Hochrechnung anfertigten, die nur Mäusehirne und Bildungsklicker ernst nehmen dürfen.
Eine Million ist ein erschütterndes Resultat zum Beispiel der mangelhaften Beherrschung von Mathematik, Statistik u. v. m. Gespannt darf man sein, was im nächsten Brockhaus zur Wikipedia stehen wird. Befreit die Lexika von Rechtschreibfehlern, das sei schon mal als elftes ungelöstes Problem nach Hilberts festgehalten.

In dieser Skizze rechts zu einem sehr erfolgreichen Software-Programm wird ein großes Problem elegant gelöst. Um welches Programm handelt es sich?

*** Rechtzeitig in den Sommerferien, "damit die Vorfreude auf die Schule zu einer großen Freude wird", kommt "Microsoft Lernen und Wissen 2006" in den Handel, beeindruckende Präsentationen aus der Welt des Wissens für das erfolgreiche Lernen herzustellen. Für die Erwachsenen gibt es gleichzeitig das Werkzeug zum erfolgreichen Anschwärzen. Eine kreative Firma, die neuerdings sogar bei Wal-Mart einkauft. Mit ehrlicher Freude feiern wir hier den Sieg des Microsoft-Angestellten Dan McKay im diesjährigen Bulwer-Lytton-Wettbewerb, der ohne die Hilfe von Microsoft Student 2006 (so heißt Lernen und Wissen in den USA) schrieb: "As he stared at her ample bosom, he daydreamed of the dual Stromberg carburetors in his vintage Triumph Spitfire, highly functional yet pleasingly formed,
perched prominently on top of the intake manifold, aching for experienced hands, the small knurled caps of the oil dampeners begging to be inspected and adjusted as described in chapter seven of the shop manual." Niemand darf eine Firma unterschätzen, in der sich solche literarischen Talente entfalten können!

Auch die Marketiers von Microsoft sind nicht ohne. Hier links ist ein Bild aus einem sehr erotischen Werbespot der Firma, der wegen seiner Freizügigkeit nur kurz gezeigt wurde. Für welches Produkt wird geworben?

*** Es ist wirklich seltsam, aber rund um das Patentrecht tummeln sich viele schräge Typen, die aus dem Satz "Eigentum ist Diebstahl" immer neue nutzwürdige Verfahren entwickeln.
Natürlich stehen hinter Sperren und Verbote handfeste Interessen, eigene Software zu schützen, auch wenn diese womöglich völlig wertlos ist. Solche abstrusen Situationen gibt es nicht nur bei Codern, sondern auch bei den Bauern, wie der derzeit laufende Kartoffelkrimi beweist, bei dem inzwischen Kartoffeln in Sicherungshaft à la mode de Schily genommen werden.

An ein umstrittenes Patent, das wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wurde, erinnert dieses Bild rechts aus einer Software. Worum geht es hier?

*** Ich habe es bereits geschrieben: Das Sommerrätsel 1.0 füllte nicht das berühmt-berüchtigte Sommerloch, weil Wahlkampf angesagt ist, weil zwischen Schröder-Scharm und Merkelsteuer jeder bessere Politiker, jede Politikerin alle Hände voll zu tun hat. Da werden die Praktikanten an die Tastatur gefesselt und dürfen dann Bloggen und Chatten, bis die Maus gähnt. Wirklich interessante Einblicke gibt es nicht, aber das hat System, denn menschlich gesehen ist politisches Bloggen nichts als Bläggen, eine Parade der Hohlformen und Standardfloskeln. Ruft jemand nach Wayne, wenn in China ein Sack Reis umgefallen ist? Aber nicht doch.
Die harte Wahrheit, von Hirn zu Hirn getragen, lautet: "Als Parlamentarierin wünsche ich mir angesichts dieser Entwicklung aber auch eine baldige Fortsetzung der Föderalismuskommission."

Während die Spannung Tag um Tag ins Unerträgliche steigt, bis vier Deodorants auf vier Sendern gleichzeitig zwei Kandidaten 90 Minuten ausreden lassen, möchte dieses Bild links auf einen Skandal aufmerksam machen. Um welches Spiel handelt es sich? Und was ist der Skandal?

Was wird.

Die Aktion "Jugend ans Netz" hat als Nachfolger der Kampagne Schulen ans Netz den Wettbewerb Klick 05 gestartet, der bis Ende August läuft. Es winken wertvolle Röhrenmonitore und andere Preise den Vorschlägern für eine bessere Jugendarbeit mit den Computern. Nein, sie soll nicht darin bestehen, ein besseres Quake-Mod für Spiderwomen zu entwickeln oder im Web nach Podnographie zu suchen. "Gefragt sind Ideen, wie sie Jugendlichen in ihren Einrichtungen den Zugang zum Internet bereits ermöglichen oder über neue Angebote ermöglichen wollen."

Und weil das so hübsch wolkig ist, folgt auf diesen anspruchsvollen Wettbewerb eine Textfrage: Welche Softwarefirma verschmolz für eine Schulaktion ihr Logo mit dem einer Partei?

Hiroshima und Nagasaki gaben das Signal, dass unsere Aufenthaltsdauer auf diesem Planeten endlich ist, dass unsere Lizenz abläuft. Einige von uns werden sich auf eine Festplatte retten können, wie es Ray Kurzweil seit seinem Buch Homo S@piens versucht. 250 Pillen am Tag und sechs Infusion die Woche stählen sein Leben, bis Wetware-Attached-Storage wirklich zuverlässig funktioniert. So geht das.

Aber vielleicht sieht das neue Leben so aus wie auf dem Bild rechts? Wie heißt die Software?

(Hal Faber) / (jk)