Maulkorb für zivilgesellschaftlichen Vertreter beim WSIS

Die Sozialwissenschaftlerin Jeanette Hofmann ist als zivilgesellschaftliche Vertreterin in der deutschen Regierungsdelegation zurückgetreten. Sie will sich die Befugnis zu öffentlichen Äußerungen nicht absprechen lassen.

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Von
  • Monika Ermert

Die neue Form der Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Experten und Regierung bei den Verhandlungen zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) bekommt Risse. Kurz vor dem jüngsten Treffen zwischen dem deutschen WSIS-Koordinierungskreis (WKK) und Vertretern des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWA) gestern in Berlin ist die zivilgesellschaftliche Vertreterin in der deutschen Regierungsdelegation, die Berliner Sozialwissenschaftlerin Jeanette Hofmann zurückgetreten. Sie stößt sich an einem Brief an den WKK, in dem Vertreter des BMWA fordern, dass das zivilgesellschaftliche Mitglied auf öffentliche Stellungnahmen gänzlich verzichten muss. In der Außenwirkung werde jedes Mitglied der offiziellen Regierungsdelegation als Vertreter der Bundesregierung angesehen. "Öffentliche Äußerungen und Stellungnahmen sind ausschließlich der Delegationsleitung und ggf. von ihr beauftragten Amtsträgern vorbehalten."

Sie wolle sich die Befugnis zu öffentlichen Äußerungen nicht absprechen lassen, schreibt Hofmann in ihrer Rücktrittserklärung. Sie stehe in keinem Dienstverhältnis und habe daher das Recht, sich wie jeder andere Bürger öffentlich zu äußern. Das Redeverbot und die Aufforderung, an allen Regierungssitzungen teilzunehmen, vertrage sich nicht mit ihren Verpflichtungen für den Internet Governance Caucus der internationalen Zivilgesellschaften, dessen Koordinatorin Hofmann ist.

Innerhalb des WKK gehen die Meinungen auseinander, ob man dem offiziellen Maulkorb für den Vertreter in den Regierungsreihen akzeptieren kann. Beim Sekretariat der Vereinten Nationen sei eine Doppelrolle der Delegierten -- also Akkreditierungen als Regierungs- und als NGO-Delegierter -- nicht erwünscht, sagt Olga Drossau, die die WSIS-Aktivitäten bei der Heinrich-Böll-Stiftung koordiniert. Die Forderungen von Seiten der Bundesregierung, dass die Delegationsmitglieder schwerpunktmäßig für die Regierungsdelegation zur Verfügung stehen müssen, erscheint Drossau akzeptabel. Bei öffentlichen Äußerungen bleibe eine "Grauzone". Man werde nun nach einem neuen Vertreter für die Zivilgesellschaft suchen.

Laut Ralf Bendrath, Redakteur des von der Böll-Stiftung finanzierten deutschen WSIS-Portals der Zivilgesellschaft, ist das Ganze eine Abwägungsfrage: "Wer wäre bereit, in die Regierungsdelegation zu gehen und dafür das Rederecht im offiziellen WSIS-Plenum aufzugeben." Die Bundesregierung vertrete hier offenbar eine "legalistischere Haltung". Andere Regierungen lassen ihren zivilgesellschaftlichen Vertretern größere Spielräume. Möglicherweise wolle man sich wegen der Bewerbung um einen Platz im UN-Sicherheitsrat nicht angreifbar machen. Für im Prozess engagierte NGO-Mitglieder sei der durch die Teilnahme an der Regierungsdelegation aber eben nicht attraktiv, auch wenn sie Zugang zu geschlossenen Verhandlungen ermögliche. Sie verlieren dadurch die Chance, für ihre eigenen Organisationen beim WSIS tätig zu werden.

Laut Hofmanns Rücktrittserklärung fällt die Abwägung angesichts der Restriktionen leicht, zumal der politische Einfluss durch die Mitgliedschaft in der Regierungsdelegation nicht nennenswert gewachsen sei. Sie setzt daher eher auf offene Konsultationen zwischen Zivilgesellschaft und Regierungsdelegation. (Monika Ermert) / (anw)