Diskussionen um alternative Roots

Die einheitliche Adressierung im Netz ist Thema gleich mehrerer aktueller Diskussionen rund um das Domain Name System.

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  • Monika Ermert

Die einheitliche Adressierung im Netz ist Thema gleich mehrerer aktueller Diskussionen rund um das Domain Name System. Einzelne Nationen experimentieren mit landessprachlichen Domains. Netzbetreiber arbeiten mit privaten Rooting-Systemen. Anfang der Woche musste sich Paul Vixie, Bind-Architekt bei F-Rootserver-Betreiber ISC, verteidigen, weil er das Open Root Server Network (ORSN) unterstützt. Dieses spiegele aber nur die IANA-Root und sei, so Vixie, Ausdruck eines verantwortungsvollen Strebens nach Unabhängigkeit.

Politische und technische Entwicklungen könnten die universelle Erreichbarkeit im Netz unterminieren, fürchten Experten. Beim Treffen der Diplomaten vergangene Woche in Genf meinte Martin Boyle vom britischen Department of Trade and Industry (DTI), angesichts der Unzufriedenheit mit der derzeitigen Aufsicht über zentrale Netzressourcen bestehe konkret die Gefahr, dass das System zerbricht. Boyle spielte damit auf Drohungen einzelner Länder an, der von den USA beaufsichtigten Rootzone den Rücken zu kehren.

Jenseits dieses Säbelrasselns aus der Politik gibt es längst Alternativen. Für Diskussionen sorgt zum Beispiel die Ankündigung, dass Paul Vixie einen der 13 Server der Initiative Open Root Server Network betreiben wird. Das von verschiedenen Unternehmen in Europa gestartete alternative Netz von Rootservern -- der A-Root-Server und zwei weitere werden von deutschen Unternehmen betreut -- versteht sich selbst als regionales Backup für die 13 IANA-Rootserver. Während ein kompletter technischer Zusammenbruch der IANA-Server zwar praktisch ausgeschlossen sei, so schreiben die ORSN-Macher, bestehe doch eine gewisse Abhängigkeit vom guten Willen der US-Behörden. Die USA könnten durch ihre Sonderrolle den Zugang aller anderen faktisch kontrollieren. ORSN soll zwar keine Abspaltung von der klassischen Rootzone darstellen, aber doch wenigstens den US-Einfluss einschränken.

Die Welt strebe auch ohne Zustimmung der ursprünglichen Pioniere, Entwickler und der aktuellen IANA-Root-Betreiber mehr Autonomie und Unabhängigkeit an, schreibt Vixie. "Das Internet erlaubt unter anderem, dass man sich nicht um anderer Leute Meinung scheren muss, was getan werden sollte und was nicht." Die ORSN-Initiative sieht Vixie als "verantwortungsvoll genutzte Unabhängigkeit", die sich von Vorstößen wie Sitefinder oder auch von Initiativen abheben, TLDs einzurichten, die nur ihre eigenen Kunden sehen können.

Einen solchen Kurs verfolgt etwa die GSM Association, die in der vergangenen Woche einen Vertrag mit Neustar über die Bereitstellung privater Root-Services ankündigte. Über .gprs und 3gppnetwork.org werden auf Basis der DNS-Technologie Routing-Informationen zwischen den 700 GSMA-Mitgliedern ausgetauscht. Laut eines Papiers der GSM-Association (GSMA, ZIP-Datei) geht es um das GPRS/PS Roaming, WLAN Roaming, GPRS/PS inter PLMN Handover und MMS Delivery. "Für private Nutzer sind Adressen beider Zonen nicht sichtbar", betont Neustar-CTO Mark Foster. Die Adressen würden nicht in Applikationen, sondern ausschließlich für das interne Routing genutzt. Die .gprs-Adressen seien nur für eine Übergangszeit gedacht. Mit der Weiterentwicklung der dritten Mobilfunkgeneration soll sie irgendwann abgelöst werden.

Mit der Einrichtung von 3gppnetwork.org als möglichen Nachfolger von .gprs hatte die GSM Association bereits auf Kritik aus der Internet-Standardisierungsorganisation IETF reagiert, die eine Verbreitung von .gprs-Anfragen in die offizielle Root-Zone befürchtete. "Im Worst Case könnten fehlerhafte Clients die Performanz der Rootserver beeinträchtigen, wenn diese Anfragen für eine Domain zu beantworten haben, die es nicht gibt", fasst das GSM-Papier die IETF-Bedenken zusammen. Zudem würden solche Anfragen -- und damit eine Kompromittierung der eigenen Systeme -- von den GSM-Betreibern nicht entdeckt.

"Eine Aufsplitterung des Namensraums ist immer eine schlechte Idee", sagt der DNS-Experte Patrik Fältström und verweist noch einmal auf den obligatorischen IETF-Standard 2826. Auf diesen bezieht sich auch Foster und verweist auf eine Zulassung privater Namensräume im RFC 2826. Einen Komplett-Umzug der .gprs-Adressen nach 3gppnetwork.org sei daher technisch nicht notwendig und wegen möglicher Migrationsprobleme nicht angezeigt. Um die Schaffung einer alternativen Rootzone sei es aber nie gegangen. Warum die GSMA dann nicht sofort eine IANA-Zone gewählt hat, bleibt damit allerdings offen. (Monika Ermert) / (anw)