Richter im Telekom-Prozess will Musterklage
Für eine Musterklage müssten sich zehn Kläger zusammenfinden, um bestimmte Rechtsfragen von der nächsthöheren Instanz, dem Oberlandesgericht Frankfurt, vorab klären zu lassen.
Im millionenschweren Anlegerprozess gegen die Deutsche Telekom läuft alles auf eine Musterklage hinaus. Der Vorsitzende Richter Meinrad Wösthoff machte am Dienstag im Frankfurter Landgericht klar, dass seine Kammer entsprechende Anträge der nächsthöheren Instanz vorlegen wird. Grundlage ist das erst am 1. November in Kraft tretende Gesetz zum Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG), mit dem die rund 2500 Klagen von insgesamt rund 17.000 enttäuschten Kleinanlegern gebündelt werden sollen.
Für eine Musterklage müssten sich zehn Kläger zusammenfinden, um bestimmte Rechtsfragen von der nächsthöheren Instanz, dem Oberlandesgericht Frankfurt, vorab klären zu lassen. Mehrere Rechtsanwaltskanzleien haben bereits angekündigt, die ausreichende Zahl von Musterklägern zusammen zu bekommen. Die übrigen Kläger würden — sofern sie nicht die Klage fallen lassen — zu so genannten Beigeladenen. Für sie ist die Entscheidung des OLG im "Zwischenstreit" verbindlich und auch die entstehenden Kosten müssen sie mittragen. Vor dem OLG haben sie ebenfalls prozessuale Rechte.
Aus formalen Gründen müsse es wahrscheinlich zwei Musterklagen geben, erklärte Richter Wösthoff. Sie müssten getrennt werden nach dem zweiten Börsengang der Telekom im Jahr 1999 und der Platzierung eines weiteren Aktienpakets durch die bundeseigene KfW ein Jahr später, dem so genannten dritten Börsengang. Das Gericht sehe seine Rolle darin, für sachgerechte Anträge zu sorgen, die alle wichtigen Fragen abdeckten. Die Anträge seien aber letztlich Sache der Kläger. Besonders häufig war die pauschalierte Immobilienbewertung zur Gründung der AG angegriffen worden, es gibt aber auch dutzende weitere Streitpunkte. Bis zum Vorlagebeschluss an das OLG sei voraussichtlich keine weitere Verhandlung notwendig, kündigte Wösthoff an. Eine Vorlage an das OLG innerhalb weniger Wochen werde es aber nicht geben.
Die beklagte Telekom hat sich nach den Worten ihres Prozessvertreters Bernd-Wilhelm Schmitz bereits auf das Musterverfahren eingestellt. Das Unternehmen behalte sich einen eigenen Feststellungsantrag vor. Die übrigen Beklagten — neben der Bundesrepublik sind das die KfW und die Deutsche Bank — wollen die Anträge zunächst abwarten.
Der Berliner Klägeranwalt Dietmar Kälberer äußerte verfassungsrechtliche Bedenken gegen das neue Gesetz. Die Kläger würden damit in ein Verfahren über drei Instanzen gezwungen und trügen ein viel höheres Kostenrisiko als bislang. Ein 20 Millionen Euro teures Gutachten zu den historischen Immobilienbewertungen der Telekom rechne sich für die meisten Kläger nicht. "Das KapMuG ist ein Instrument, viele Kleinanleger an die Wand zu klagen", sagte der Anwalt. Der Streitwert der Frankfurter Verfahren wird vom Gericht auf 150 Millionen Euro geschätzt.
Wösthoff lehnte es für das Gericht ab, beim Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren anzustreben. Solche "akademischen Klimmzüge" brächten das Verfahren nicht voran. Auch könnten aus Zeitgründen die vorliegenden Klagen nicht daraufhin untersucht werden, ob sie im Einzelfall bereits entscheidungsreif seien.
Die Wiesbadener Kanzlei Doerr und Partner kritisierte, dass den Klägern mit dem neuen Gesetz im Nachhinein ihr gesetzlicher Richter genommen werde. Gleichwohl präsentierte sie am Dienstag 56 Kläger, die eine Musterklage beantragen wollen. Die Kanzlei Tilp stellte die ersten Anträge auf ein Musterverfahren bereits vorläufig vor Inkrafttreten des Gesetzes. (jk)