Durchbruch bei Verhandlungen über IT-Modernisierung der Bundeswehr

Im Rahmen von "Herkules" soll eine eigenständige Gesellschaft die Informationstechnik- und Telekommunikationsinfrastruktur der Bundeswehr übernehmen und modernisieren.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Das Bundesverteidigungsministerium hat in den Vertragsverhandlungen um das IT-Projekt "Herkules" mit der Siemens-Tochter SBS und dem amerikanischen Computerkonzern IBM einen Durchbruch erzielt. Der angestrebte Vertrag hat wie ursprünglich vorgesehen ein Auftragsvolumen von 6,65 Milliarden Euro und soll über zehn Jahre laufen. In den nächsten Wochen soll das Vertragswerk fertig gestellt werden, hieß es bei SBS. Es muss dann noch von den parlamentarischen Gremien gebilligt werden. Im Rahmen von "Herkules" soll eine eigenständige Gesellschaft die Informationstechnik- und Telekommunikationsinfrastruktur der Bundeswehr übernehmen und modernisieren. Die öffentliche Hand solle mit 49,9 Prozent an der Gesellschaft beteiligt sein.

Bereits Ende März hatten Siemens und IBM ihr Angebot für die Modernisierung der Bundeswehr-IT-Systeme abgegeben. Kurz davor war die Telekom-Tochter T-Systems aus dem gemeinsamen Konsortium ausgestiegen. Über die Gründe schwiegen sich die Beteiligten aus. Dennoch wurden Gerüchte laut, dass in dem Konsortium kein Unternehmen die Federführung übernommen hatte. Außerdem sollen sich die Unternehmen darauf verständigt haben, das Auftragsvolumen unter sich zu dritteln. "Keiner hat dem anderen das Gelbe vom Ei gegönnt, und die Bundeswehr konnte keinen Einfluss nehmen", sagt ein Beobachter. Da sich die zu erbringenden Leistungen jedoch kaum gleichermaßen dritteln lassen, hätte mindestens ein Unternehmen ein vergleichsweise höheres Risiko übernehmen müssen.

Dass es vor allem ein unklares Management sowie eine erhöhte Risikolage gab, legt die Bekanntgabe von T-Systems wenige Tage nach dem Ausstieg nahe – demnach wolle sie weiterhin als Unterauftragnehmer zur Verfügung stehen. Auch SBS und IBM scheinen etwas gelernt zu haben – sie einigten sich auf die Federführung des Konsortiums durch SBS. Die Verhandlungen mit einem anderen Konsortium unter Beteiligung des US-amerikanischen CSC, der deutsch-französischen Waffenschmiede EADS und des deutschen Mobilfunkanbieters Mobilcom waren im Sommer letzten Jahres an der Frage der Rentabilität gescheitert.

Eine erhöhte Rentabilität stand ganz am Anfang des Herkules-Projekts. Bereits seit knapp zehn Jahren laboriert die Bundeswehr an der geplanten Modernisierung: Ein Prüfungsbericht des Bundesrechungshofes hatte 1996, also noch zu Zeiten Helmut Kohls, festgestellt, dass dreistellige Millionensummen freihändig ohne Wettbewerb an die IBM für Bundeswehr-Rechenzentren vergeben wurden. 1997 erhielt die Bundeswehr deshalb den Auftrag, alternative Betreibermodelle zu untersuchen. Zwei Jahre später wurde das Interessensbekundungsverfahren gestartet, das eine Erneuerung der Rechenzentren sowie des Netzwerks, das einzelne Rechenzentren miteinander verbinden sollte, vorsah.

Ende Juni 1999 gaben die Unternehmen CSC Ploenzke mit der Deutschen Telekom, IBM mit MCI Worldcom, Siemens, Debis und Andersen Consulting ihre Angebote ab. Die Telekom mit ihren 10-Jahresverträgen hatte kein sichtliches Interesse an einer Änderung des Status Quo und auch IBM zeigte sich damals wenig geneigt, aus der Kuschelecke herauszukommen. CSC Ploenzke hingegen plädierte für eine Weiterentwicklung der jetzt in Gang gekommenen Reformüberlegungen – und hatte damit unerwartet Erfolg:

Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) erstellte ein eigenes Optimierungskonzept – ganz offensichtlich in Kenntnis der vorliegenden Angebote –, das im Herbst 1999 vorgestellt wurde. Das Interessensbekundungsverfahren wurde schließlich Ende 1999 eingestellt – gleichzeitig unterschrieben Bundeskanzler Gerhard Schröder, der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping, der damalige Telekom-Chef Ron Sommer und weitere rund 40 Firmenvertreter den "Rahmenvertrag Investition, Innovation und Wirtschaftlichkeit".

Da Scharping die Bundeswehr-Informationstechnik als einheitliches System begriff, sollte "Herkules" die bis dahin betriebenen einzelnen Pilotprojekte Rechenzentren, Liegenschaftsnetze und Weitverkehrsnetze zusammenführen. Davon versprach er sich mehr Investitionsmöglichkeiten durch die damit verbundenen Einsparungen – in der freien Wirtschaft ist dies auch die Vorgehensweise von IT-Service-Anbietern. Jedes Projekt für sich hätte jedoch der Bundeswehr keine Steuerungsmöglichkeiten mehr erlaubt.

Die Bedingungen für das IT-Projekt haben sich jedoch seit der Ausschreibung drastisch geändert – die Technik erlaubt heute neue Lösungen, auch will die Bundeswehr nicht mehr so viele Standorte vernetzen muss wie noch vor ein paar Jahren. Hätte sich die Bundeswehr jedoch aus dem Projekt zurückgezogen, hätten ihr Schadensersatzklagen der beteiligten Unternehmen gedroht. Sie musste daher die Verhandlungen mit Siemens und IBM durchziehen. Gleichwohl lag in den Schubladen der Bundeswehrplaner für den Fall des Scheiterns bereits ein "Plan B". Denn der Transformationsprozess der Streitkräfte schreitet unter amerikanischem Druck innerhalb der NATO rasch voran. Wie drängend das Problem ist, hatte unter anderem das im Frühjahr stattgefundene Manöver "European Challenge 2005" gezeigt. Eines der hochgelobten neuen Systeme versagte – und die Soldaten mussten die bereits eingemotteten Alt-Systeme aus dem Keller räumen, um im Rennen zu bleiben. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)