Gesundheit und Mobilfunk: Neue Studie gibt noch keine Entwarnung

Die bislang im Rahmen der WHO-Interphone-Studie veröffentlichten Ergebnisse sehen überwiegend keinen Zusammenhang zwischen Mobilfunk und Krebserkrankung; eine endgültige Bewertung sei aber erst mit der abschließenden internationalen Auswertung möglich.

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Von
  • Sven Appel
  • dpa

Das hören Handynutzer gern: Ihr Mobiltelefon verursache keinen Krebs, geht aus einer britischen Studie hervor. Die Mitarbeiter des Institute of Cancer Research sowie mehrerer Universitäten suchten nach Zusammenhängen zwischen Handynutzung und dem Auftreten von Gliomen, der häufigsten Tumorart im Kopf. Doch auch wenn das Informationszentrum Mobilfunk (IZMF) in Berlin jubelt: "Beruhigende Studienergebnisse für Handynutzer", ist es für eine Entwarnung noch zu früh.

Über einem Zeitraum von mehr als drei Jahren wurden in Großbritannien 966 Patienten mit einem Hirntumor (Gliom) sowie 1716 Kontrollpersonen nach ihrem Telefonierverhalten befragt. Die Wissenschaftler fanden nach eigenen Angaben nichts, was darauf hinweist, dass das Telefonieren mit dem Handy das Risiko erhöht, an einem Hirntumor zu erkranken. Zwar sei die so genannte Odd Ratio, das Wahrscheinlichkeitsrisiko, leicht erhöht. Es handele sich jedoch um einen minimalen Wert, der statistisch gesehen keine Bedeutung hat, erklärt Frank Gollnick, Biologe und wissenschaftlicher Berater der Forschungsgemeinschaft Funk.

Auch Bernd Rainer Müller, Mobilfunkexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) sieht keinen Anlass, an den kürzlich veröffentlichen Ergebnissen zu zweifeln: Es sei höchstwahrscheinlich wissenschaftlich korrekt gearbeitet worden. Der Ingenieur aus Lage (Nordrhein-Westfalen), der Gemeinden bei Fragen zu Basisstationen für den Mobilfunk berät, betrachtet allerdings den Umgang der Wissenschaftler mit der Frage nach gesundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunks grundsätzlich skeptisch: "Die wissenschaftliche Methodik ist im Augenblick nicht trennscharf genug, um die Zusatzbelastung durch elektromagnetische Felder ausreichend zu erfassen und darzustellen."

Gollnick von der FGF ist da zuversichtlicher. "Allerdings muss man noch abwarten." Denn die jetzt veröffentlichten Ergebnisse gehören zu einer Untersuchung, die nur einen Teil der von der Weltgesundheitsorganisation WHO koordinierten Interphone-Studie ist. Bisher konnte noch keine Studie auf so viele Probanden zurückgreifen, betont das IZMF. Sie erfasse nicht nur eine hohe Zahl an Tumor-Patienten, sondern auch besonders viele Langzeitnutzer.

Die im Oktober 2000 begonnene Interphone-Studie ist die größte Untersuchung, die den Zusammenhang zwischen Handynutzung und Hirntumoren ergründen soll. Ein Teilergebnis aus Deutschland, das gerade vorgestellt wurde, fand keinen Beleg für ein Hirntumorrisiko durch Handys. Im Jahr 2004 wurden allerdings die Ergebnisse einer schwedischen Teilstudie bekannt, der zufolge Handynutzer ein erhöhtes Risiko tragen, an einem Akustikus-Neurinom zu erkranken. Das Akustikus-Neurinom ist eine Geschwulst des Hör- und Gleichgewichtsnervs. Es gilt als gutartig. Da es sich ebenfalls um eine Teilstudie der Interphone handelte, galten die Ergebnisse vielen Experten als noch nicht aussagekräftig genug.

Die bislang im Rahmen der Interphone-Studie veröffentlichten Ergebnisse sehen überwiegend keinen Zusammenhang zwischen Mobilfunk und Krebserkrankung, erklärt Frank Gollnick. Allerdings fehlten noch einige Ergebnisse, und eine abschließende Bewertung sei ohnehin erst mit der Veröffentlichung der internationalen Auswertung möglich. Der Abschluss der gesamten Studie wird bis Ende dieses Jahres erwartet.

Neben der Interphone-Studie laufen zahlreiche weitere Untersuchungen. So haben die deutschen Mobilfunknetzbetreiber gemeinsam mit der Bundesregierung das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm (DMF) ins Leben gerufen. Das vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) koordinierte Programm soll die Erkenntnisse über biologische Wirkungen und Mechanismen elektromagnetischer Felder vertiefen – und besteht aus rund 50 Forschungsvorhaben. So dürfte es noch eine Weile dauern, bis die Verbraucher Klarheit haben – wenn sich definitive Aussagen über Gesundheitsrisiken beim Mobilfunk überhaupt jemals machen lassen. (Sven Appel, dpa) / (jk)