Studie: P2P wird bis 2010 wichtigste Distributionstechnologie

P2P ist die derzeit am besten geeignete Technologie, den Flaschenhals Distribution bei einer wachsenden Anzahl von übertragenen Daten zu überwinden, ergibt eine Studie des Verbandes European Information Technology Observatory (EITO).

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 110 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Peer-to-Peer-Technik (P2P) wird eine zentrale Rolle bei der Verteilung von Daten in den globalen Netzen haben. Es ist die derzeit am besten geeignete Technologie, den Flaschenhals Distribution bei einer wachsenden Anzahl von übertragenen Daten zu überwinden. Zu diesem Ergebnis kommt eine detaillierte Studie von P2P-Technologie und P2P-Netzen des Verbandes European Information Technology Observatory (EITO), die heute zusammen mit dem jährlichen IT-Marktüberblick der EITO in Brüssel vorgestellt wird. Die EITO-Studie rechnet angesichts der vielfältigen Möglichkeiten des P2P-Einsatzes bei der effektiven Übertragung von Daten mit einem Wachstum von derzeit 20 Millionen auf dann 45 Millionen P2P-Nutzer im Jahr 2010. Bei der Zahl der jährlich über P2P-Netze verbreiteten Dateien pro Nutzer und Jahr prognostiziert die EITO-Studie 1247 Audio-, 638 Video-, 60 Print-, 410 Bild- oder Fotodateien und 118 Software- beziehungsweise Spiele-Downloads.

Für Deutschland erwartet die Studie trotz der nach wie vor vergleichsweise langsamen Entwicklung der Breitbandpenetration (für 2005 platziert die Studie Deutschland mit 11,8 Prozent unter den EU-Durchschnitt von 12,8 Prozent) eine gute Verdoppelung der Peers von 4,7 Millionen in diesem auf 9,8 Millionen 2010. Die Einnahmen aus dem Online-Inhalte-Geschäft sollen sich schon 2009 auf 2,2 Milliarden Euro in den EU-Mitgliedsstaaten verdoppelt haben.

"Wenn 40 Millionen Menschen weltweit und auch noch möglichst gleichzeitig den neuesten Madonna-Song haben möchten, lässt sich die Distribution durch P2P-Technologie enorm vereinfachen", sagte Sacha Wunsch-Vincent, der die Studie von Seiten der OECD mitbetreute. Je mehr Nutzer den gleichen Song wollen, desto schneller lasse sich über P2P der Download realisieren. Diese Möglichkeit mache P2P für die Zukunft der Kommunikation essenziell.

Wunsch-Vincent berichete gegenüber heise online von einem Trend, die P2P-Technologie als positive technologische Innovation zu verstehen, die nicht mehr nur als Synonym für illegale Musiktauschbörsen stehe. P2P werde salonfähig, das zeige sich in der Haltung von Inhalteanbietern wie auch im zunehmenden Einsatz dieser Technologie in vielen Geschäftsbereichen außerhalb der Unterhaltungsindustrie wie zum Beispiel bei VoIP, Distribution von großen Datenmengern in Wissenschaft und Forschung. "Wir erreichen vielleicht so etwas wie die nächste Stufe der Aufklärung, historisch gesprochen." Somit trage die Studie zur Enttabuisierung der P2P-Technologie bei.

Die Vorraussetzungen für den Einsatz von P2P für die Verteilung von Inhalten hat sich laut der EITO-Studie stark verändert. Die erste Generation von P2P-Netzen musste unter anderem damit kämpfen, dass Inhalteanbieter, Online-Distributoren und ISPs nicht zusammenarbeiteten. Im Gegenteil verlegte sich die Musikindustrie darauf, ihre Kontrolle über die Distribution abzusichern und den Forderungen klassischer Händler gegen flexible Preise nachzugeben. In vielen Fällen wurden die attraktivsten Inhalte schlicht nicht lizenziert. Andererseits fehlten laut Studie auch die Geschäftsmodelle.

Solche Barrieren, einschließlich der negativen Stimmung nach dem dot.com-Crash, seien inzwischen praktisch alle beseitigt. Inhalteanbieter hätten heute "nuanciertere" Strategien für den Online-Vertrieb. Besonders die Musikindustrie unterzeichne mehr und mehr nicht-exklusive Verträge mit neuen Online-Distributoren – auch für "legale" P2P-Geschäftsmodelle, bei denen der Download-Request für ein urheberrechtlich geschütztes Stück umgeleitet und der Nutzer mit Testversion und Kaufangebot bedient wird. Wie attraktiv die Angebote sind, muss sich auch laut OECD noch zeigen – nicht überall, wo P2P draufsteht, ist auch P2P drin, schrieben die OECD-Experten in ihrer eigenen Studie dazu. Dennoch werde auch die noch zögerliche Haltung der Filmindustrie die Verbreitung von P2P nicht aufhalten, so die EITO-Studie. Viele Branchen wittern im Übrigen das Geschäft: angefangen von Hardware-und Software-Herstellern (Apple, Microsoft), Consumer-Electronics-Unternehmen (Sony), Händlerketten (Virgin) bis zu Anbietern wie OD2.

Risse bekommt der positive Ausblick in der Studie hierzulande allerdings angesichts der heftigen Debatten um die sogenannte Bagatellklausel und den Plänen, Urheberrechtsinhaber bessere rechtliche Mittel beim Aufspüren privater Tauschbörsennutzer in die Hand zu geben. Diese wirken noch nicht durchgängig so, als wolle man sich auf die Chancen von P2P konzentrieren. (Monika Ermert) / (anw)