Patentexperte fordert mehr Verantwortung der öffentlichen Hand

David Martin, Patentexperte und Chef der US-amerikanischen Firma M-Cam, sieht das Grundproblem des Patentsystems in den finanziellen Interessen der Beteiligten.

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Von
  • Monika Ermert

Wenn Patentämter, Patentanwälte und Verbände von Branchen, deren Geschäft stark von Patenten abhängen, auf Einladung der World Intellectual Property Organisation (WIPO) über eine globale Harmonisierung im Patentwesen sprechen, darf man echte Reformen nicht erwarten. Das sagte beim WIPO-Forum zu einem möglichen "Abkommen zur Harmonisierung materieller Fragen zum Patentrecht" (Substantive Patent Law Treaty, SPLT) vergangene Woche David Martin, Chef der US-amerikanischen Firma M-Cam, die sich auf eine Risikobewertung von Patenten spezialisiert hat. "Wir spielen Krieg, wir nutzen Patente als Waffen im wirtschaftlichen Kampf", räumte Patentanwalt Walter Holzer ein.

Beim WIPO-Treffen wurden mögliche Bereiche der Vereinheitlichung im Patentwesen diskutiert. Gegner warnten dabei vor einer möglichen Ausweitung der patentierfähigen Bereiche und einer Einschränkung von geplanten Ausnahmen in bestehenden internationalen Verträgen für Forschung und Bildung, gerade auch in den Entwicklungsländern.

Das Grundproblem sind laut Martin die finanziellen Interessen der Beteiligten: Sowohl die Patentanmelder und deren Anwälte als auch die Patentämter profitierten von vielen Anmeldungen. Es habe manchmal auch schon Versuche gegeben, die Polizei nach der Zahl von Festnahmen zu bezahlen, warnte der britische Biotechnologe John Sulston, auch das mit eher abschreckenden Ergebnissen.

Die öffentliche Hand müsste nach Ansicht Martins (PDF-Datei) viel stärker für ausgegebene Patente verantwortlich gemacht werden. Im Prinzip sollten die Patentämter nur solche Patente ausgeben dürfen, für deren Durchsetzung sie aufkommen würden. In der gegenwärtigen Situation käme allerdings keine Versicherung für das Risiko fälschlicherweise erteilter Patente auf. Von besonderer Bedeutung sei schließlich eine bessere Dokumentation der Patente, die aufgrund nicht bezahlter Gebühren oder durch den Ablauf der Schutzfrist von jedermann genutzt werden können.

Martins eigenes Unternehmen hat nach seinen Angaben etwa die iranische Regierung bei der Suche nach einer Technologie zur sicheren Lagerung von Atomrestmüll unterstützt. Dafür wurde eine Patent-freie Technologie in einer Patentdatenbank aufgespürt. M-Cams Software nutzt einen linguistischen Vergleich vorhandener Patente für das Aufspüren vergleichbarer Technologie. Sie werde von den Regierungen in China, Indien und Dänemark eingesetzt. Allerdings werde sie bei der Prüfung von Vorläufern bei Patentanmeldungen nicht genutzt, "das könnte ja zu mehr Ablehnungen führen", so Martin.

Auch im Bereich der HIV-Medikamente lasse sich durch einen Abgleich zeigen, wie viele Technologien bereits frei verfügbar seien, so Martin. "Mussten HIV-Patienten in Afrika sterben, bloß weil man den Preis für die Medikamente im eigenen Land hochhalten wollte?", fragte der indische Anwalt Navendra Zaveri. Kaum anders sei zu erklären, warum die Hersteller generischer Medikamente eine Jahresdosis AZT für rund 300 Dollar herstellen konnte, während Patentinhaber Burroughs Wellcome 10.000 Dollar verlangte. Das Patent sei dabei nicht für die Entdeckung von AZT vergeben worden – AZT ist seit 1965 bekannt –, sondern nur für seinen Einsatz als Aids-Medikament. Angesichts der Praktiken, auslaufende Patente durch eine Neupatentierung aufgrund einer medizinisch unwesentlichen Veränderung der Zusammensetzung wieder zu schützen, forderte Zaveri ein Einspruchsrecht vor der Vergabe des Patents – und nicht erst danach. Doch solche Forderungen haben es ebenso wie die Forderungen nach einer Aufnahme von traditionellem Wissen in einen harmonisierten Patentschutz schwer.

James Love von der Organisation Consumer Project for Technology empfahl alternative Wege (PDF-Datei) bei der Finanzierung von Innovation im Bereich der Medikamentenforschung zu beschreiten, etwa durch einen Preis für Innovationen und einen Völkerrechtsvertrag über Forschung in dem Bereich. In Zeiten nationaler Krisen, bei erkennbar wettbewerbswidrigen Verfahren und in einer Reihe weiteren Fällen sollte es Zwangslizenzen geben, für die die Patentinhaber entschädigt würden.

Siehe dazu auch:

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente in Europa und die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Monika Ermert) / (anw)