GeldKarte: Kriegserklärung ans Bargeld

Vor zehn Jahren eingeführt, sind derzeit zwar 64 Millionen GeldKarten im Umlauf und 70 Prozent aller ec- und Kundenkarten tragen den GeldKarten-Chip, doch genutzt wird der Ersatz fürs Kleingeld bislang kaum.

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Von
  • Richard Sietmann

"Karte rein, Packung raus" – unter diesem Motto will die Initiative GeldKarte in diesem Jahr den Gebrauch des elektronischen Bargelds an Zigarettenautomaten propagieren, wo Kunden ab dem 1. Januar 2007 das gesetzlich geforderte Jugendschutzmerkmal mithilfe einer Chipkarte nachweisen müssen. Bis Ende 2005 waren bereits 340.000 Automaten umgerüstet, bis zum Stichtag wird man an 450.000 Nikotinspendern mit der GeldKarte zahlen können – potenziell winken damit jährlich 1,2 Milliarden Transaktionen auf das bislang von den Bundesbürgern arg vernachlässigte bargeldlose Zahlungsmittel. Vor zehn Jahren als Gemeinschaftsprodukt der deutschen Banken und Sparkassen eingeführt, sind derzeit zwar 64 Millionen GeldKarten im Umlauf und 70 Prozent aller ec- und Kundenkarten tragen den GeldKarten-Chip, doch genutzt wird der Ersatz fürs Kleingeld bislang kaum. Nur etwa jeder Fünfte macht tatsächlich davon Gebrauch, und im vergangenen Jahr ist die Zahl der Transaktionen sogar leicht von 38,3 Millionen Bezahlvorgängen in 2004 auf 37,8 Millionen Transaktionen zurückgegangen.

Gleichwohl blickte die Branche auf der Jahresversammlung der Initiative am heutigen Donnerstag in Berlin optimistisch in die Zukunft. Volker Koppe von der EURO Kartensysteme GmbH in Frankfurt, dem Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Banken und Sparkassen für das MasterCard- und GeldKarten-Geschäft, verweist auf den öffentlichen Nahverkehr, bei dem es in Deutschland schon fast flächendeckend möglich ist, mit der GeldKarte Fahrscheine zu erwerben und inzwischen 3.500 Fahrscheinautomaten der Deutschen Bahn die GeldKarte akzeptieren. Ein weiterer Wachstumsbereich ist das Internet, laut Koppe ein Bereich, "der noch in den Kinderschuhen steckt". Gerade dort lägen die Vorteile der schnellen und kostengünstigen Abwicklung von Micropayments auf der Hand. So entfielen bei den rund 35 Millionen Musikdownloads pro Jahr hierzulande rund 20% des Umsatzes auf die Kosten der Bezahlsysteme. "Mit der GeldKarte", meinte Koppe, "ist die Senkung auf unter 10% möglich – das ist ein Einsparpotenzial von rund 5,6 Millionen Euro jährlich."

Unter den zahlreichen elektronischen Bargeldzahlungsmitteln in Europa hat allerdings nicht nur die GeldKarte noch mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen. Ob Moneo in Frankreich, Quick in Österreich, Chipknip in Holland, miniCash in Luxemburg, Cash in der Schweiz oder Proton in Belgien – lediglich in Holland und Österreich nimmt der Gebrauch zu, "bei allen anderen stagniert er oder ist sogar rückläufig", berichtete der belgische Wirtschaftswissenschaftler Leo van Hove von der Vrije Universiteit Brüssel heute in Berlin. Hove präsentierte die Ergebnisse von Umfragen zur Proton-Karte, die in Belgien neun Millionen Bürger besitzen. Doch bei zwei Dritteln der 241 Zeitungsläden und 130 Bäckereien in der Erhebung lag der Umsatz mit dem Kartengeld unter fünf Prozent. Die meisten Händler zeigten sich zwar von der Zuverlässigkeit und Sicherheit der Karte überzeugt, nicht jedoch davon, dass die Zahlung mit dem elektronischen Cash wirklich schneller als mit Bargeld geht. Ein Drittel hält den Proton-Kartenleser nicht für eine sinnvolle Investition; getätigt wurde sie nur aus Angst, eventuell Kunden an die Konkurrenz zu verlieren. Ähnlich gespalten ist auch die Einstellung der Konsumenten – Nutzer wie Nichtnutzer der Proton-Karte schätzen das elektronische Portemonnaie gleichermaßen als modern, bequem, einfach und schnell ein, doch "erstaunlicherweise", erklärte Hove, "bezeichnet die Mehrheit der Befragten Bargeld als billig, das elektronische Zahlungsmittel als teuer".

Der belgische Electronic-Commerce-Experte hat eigenem Bekunden nach dem Bargeld "den Krieg erklärt". Die gesellschaftlichen Kosten des Bargeld-Handlings, die er für Belgien auf 0,74 Prozent und für die Niederlande auf 0,65 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bezifferte, seien viel zu hoch, meint er. Doch dummerweise würden Einschätzung und tatsächliche Kosten des Bargelds auseinander klaffen. "Das Zahlungsmittel, das gesellschaftlich am teuersten ist, wird von den Konsumenten und Händlern als am billigsten wahrgenommen." Seine Schlussfolgerung: "Der Gebrauch von Bargeld sollte verteuert werden." ('Richard Sietmann) / (jk)