Kulturelles Erbe in Gefahr
Wissenschaftler warnen in einem "Memorandum zur LangzeitverfĂĽgbarkeit digitaler Informationen in Deutschland" vor dem fortschreitenden digitalen Alzheimer.
Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung liegen zunehmend nur noch digital vor; die digitale Kommunikation ermöglicht neue Formen des wissenschaftlichen Arbeitens und erleichtert den weltweiten Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen. Der rasante technische Wandel führt jedoch zum schnellen Veralten von Datenträgern und Datenformaten. Vor diesem Hintergrund führen Bibliotheken, Archive, Museen und wissenschaftliche Datenzentren einen schwer zu gewinnenden Kampf gegen den digitalen Gedächtnisschwund – die langfristige Verfügbarkeit digitaler Informationen und damit ein wesentlicher Teil des kulturellen Erbes ist gefährdet.
In einem am heutigen Donnerstag veröffentlichten "Memorandum zur Langzeitverfügbarkeit digitaler Informationen in Deutschland" (PDF-Datei) fordern Experten Staat, Informationsproduzenten wie Verlage und Rundfunkanstalten, Hard- und Softwarehersteller, Bibliotheken und Archive auf, den Notwendigkeiten der Langzeitarchivierung stärkere Aufmerksamkeit zu widmen. Mit Empfehlungen zu den erforderlichen Rahmenbedingungen umreißt das Memorandum in 18 Punkten, wie eine deutsche "Langzeitarchivierungs-Policy" aussehen könnte.
So bedarf es beispielsweise transparenter Entscheidungskriterien, was aus dem gesamten Spektrum der Datenflut – von wissenschaftlichen Rohdaten und Textdokumenten über Web-Seiten, Verwaltungsschriftgut, digitalem Museumsgut, Fotografien, Filmen, Multimediaobjekten, Datenbanken und Software – für nachfolgende Generationen erhaltenswert ist. Digitale Archive müssen dann Inhalt und Funktionalität möglichst vollständig bewahren. Dazu bedarf es einerseits der Entwicklung spezialisierter Depot-Systeme, die zur Sicherheit gegen den Verlust unersetzlicher Datenbestände infolge eines Ausfalls einzelner Institutionen oder technischer Systeme weitestgehend auf Redundanz und Spiegelung setzen müssten. Des weiteren empfiehlt das Memorandum die Verwendung nicht-proprietärer, offener und gut dokumentierter Formate, um auch langfristig die Darstellbarkeit zu gewährleisten; wo es möglich ist, sollten solche Formate bereits bei der Entstehung der Daten zum Einsatz kommen.
Das Memorandum, Ergebnis eines Expertengesprächs im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts nestor (Network of Expertise in long-term STOrage of digital Resources), appelliert an Bund, Länder und Kommunen, ihre Verantwortung für die Langzeiterhaltung digitaler Informationen wahrzunehmen und dafür die entsprechenden finanziellen Ressourcen bereitzustellen. Angesichts der dezentralen Archivlandschaft in Deutschland sollte eine "nachhaltige Koordinationsstruktur" geschaffen werden, die kleinere Einrichtungen bei der Übernahme der zu entwickelnden Standards und Lösungen zur digitalen Langzeitarchivierung unterstützt. (Richard Sietmann) / (pmz)