Mobil-TV: Mit dem DMB-Handy unterwegs in Köln [Update]

Das Samsung SGH-P900 bietet klare Fernsehbilder und bleibt auch im Auto bei 180 km/h auf Empfang. TV-Sendungen lassen sich aufzeichnen, jedoch nicht auf andere Geräte exportieren.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Sven-Olaf Suhl

Wenige Tage nach dem Startschuss für DMB-basiertes Handy-TV in fünf deutschen Großstädten hatten wir Gelegenheit, ein Samsung-Handy vom Typ SGH-P900 in Köln und Umgebung auszuprobieren. Das Testhandy wurde uns vom Dienstanbieter Debitel zur Verfügung gestellt, der als bislang einziger Mobilfunkprovider den „watcha“ getauften Dienst anbietet und bei Abschluss eines Zweijahresvertrages zusätzlich zum Handy-Tarif zwischen 9,95 und 14,95 Euro für das mobile Fernsehen verlangt. Debitel zufolge handelt es sich hierbei um das bislang einzige DMB-fähige Modell im deutschen Markt. Das Klapphandy kostet mit Vertrag 200 Euro (ohne Vertrag 600 Euro) und verfügt über ein um 90 Grad drehbares QVGA- TFT-Display mit 2,2-Zoll-Diagonale. Es liefert 320 × 240 Bildpunkte bei bis zu 25 Bildern pro Sekunde. Nach Druck auf die TV-Taste des SGH-P900 fordert das Menü dazu auf, das Display in die Horizontale zu drehen, und die Suche nach DMB-Sendern beginnt. Eine ausziehbare Antenne besitzt das Gerät nicht.

In der Kölner Innenstadt fand das Gerät problemlos die versprochenen fünf TV-Programme, nämlich MTV, N24, ZDF, „watcha Entertainment“ – Videoclips nach dem Motto „Pleiten, Pech und Pannen" – und „bigFM2see“. Während letzterer noch mit Standbildern darauf hinweist, „under construction“ zu sein, liefen auf den übrigen vier Kanälen Fernsehbilder in überraschend guter Bild- und Tonqualität. Beim Empfang im Freien störte allerdings das stark spiegelnde Display. Im Schatten ließen sich hingegen Sendungen wie die Heute-Nachrichten ohne Ermüdungserscheinungen verfolgen, auch Laufschriften wie Börsenkurse oder Filmabspanne blieben selbst für Brillenträger recht gut lesbar.

Schnelle Kameraschwenks und Totalen zeigten allerdings die Grenzen auf, die das kleine Display und das Komprimierungsverfahren setzen: Schnelle Schnittfolgen und rasante Zoom-Effekte bei Musikvideos führen zu deutlichen Artefakten und Totalen aus dem Fußballstadion machen das Verfolgen des Balls und das Erkennen der Spieler zum Ratespiel. Hier sind die Content-Anbieter gefragt, das Bildmaterial Handy-tauglich aufzubereiten und den Zuschauern durch sinnvolle Ausschnittvergrößerungen oder Zeitlupen das Wesentliche zu liefern. Nach unseren Eindrücken wird bislang der Inhalt der Fernsehsender N24, ZDF und MTV 1 : 1 übernommen – einschließlich der Werbespots.

Angenehm fiel uns auf, dass es auch ohne Studium der Bedienungsanleitung leicht möglich war, Standbilder von den TV-Sendungen und auch Videosequenzen ohne Längenbegrenzung abzuspeichern. Hierzu genügt ein kurzer beziehungsweise ein längerer Druck auf die Taste, die ansonsten als Auslöser für die 2-Megapixel-Kamera des Handys dient. Bewegtbilder werden mit der Endung .mp4 abgespeichert – eine zehnminütige Aufnahme nimmt rund 10 MByte ein. Standbilder werden als 150 KByte große .yuv-Dateien abgelegt. Bei der Wiedergabe der Clips auf dem Handy zeigten sich subjektiv keine Unterschiede zum zuvor gesehenen Live-Bild.

Allerdings landen die TV-Aufnahmen in einem separaten Verzeichnis namens „Eigene TVi-Dateien“. Versuche, die Dateien in den allgemeinen Speicher des Handys, wo sich etwa MP3-Dateien verwalten lassen, oder auf die mitgelieferte MicroSD-Karte zu verschieben, schlugen fehl. Dies unterstützt das Menü TVi-Verwaltung ebensowenig wie den Versuch, ein Standbild als MMS zu versenden. [Update: Auch wenn man das Handy per USB-Kabel mit dem PC verbindet, erlaubt die mitgelieferte Software "Samsung PC Studio" keinen Zugriff auf die "TVi-Dateien", sondern unterstützt lediglich die Verwaltung des allgemeinen Speichers im Handy beziehungsweise auf der MicroSD-Karte.] So bleibt der TV-Content im Klapphandy vor Weiterverbreitung geschützt wie in einer Auster. Immerhin lassen sich die Aufnahmen auch in Gebieten ohne DMB-Versorgung auf dem Handy wiedergeben, und zwar auch dann, wenn eine andere SIM-Karte als die von Debitel mitgelieferte eingesetzt wird. Mit einem Adapterkabel, das uns am Pfingstwochenende noch nicht zur Verfügung stand, lässt sich das Handy laut Samsung mit einem Fernseher verbinden.

Bei Autofahrten blieb der TV-Empfang auch in der Nähe von Hochhäusern stabil, auch in Unterführungen von weniger als 50 Meter Länge waren keine Aussetzer zu beobachten. In Tunnels fror im Moment des Verbindungsabbruchs das Bild ein, noch vor Erreichen des Tunnelausgangs setzte das Handy die Übertragung automatisch fort, ohne dass es eines Nutzereingriffs bedurfte. Während einer Autobahnfahrt mit einer Spitzengeschwindigkeit von 180 km/h aufgenommene Sequenzen zeigen keinen Qualitätsunterschied zu Sendungen, die wir bei stationärem Empfang aufnahmen. Auf einer Fahrt vom Zentrum der Domstadt auf der Autobahn 555 Richtung Bonn war der Empfang auch außerhalb Kölns noch bis zur Abfahrt Wesseling (16 km vor Bonn) möglich. Topographisch anspruchsvollere Regionen als die flache Landschaft am Rhein setzen der Ausbreitung des DMB-Signals engere Grenzen, wie auch Debitel für seinen Firmensitz Stuttgart, das in einem Talkessel liegt, einräumt.

Dank Internet-Browser, Organizer-Funktionen und einem 80 MByte großen internen Speicher gefällt das Samsung SGH-P900, das GPRS und EDGE unterstützt, auch außerhalb der wenigen DMB-Empfangsorte. Während unseres Tests in Köln zeigten Taxifahrer großes Interesse am mobilen TV-Empfang, da er eine willkommene Möglichkeit darstelle, das Warten auf den nächsten Fahrgast zu überbrücken. Zugleich bemängelten sie die „zu geringe“ Auswahl an TV-Programmen und kritisierten den Preis für das Angebot als zu hoch. Während die von Wirtschaft und Politik getragene Initiative D21 das mobile Fernsehen als „nationale Chance“ für Deutschland preist, wird in der Praxis noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten sein, bis der „Babymarkt“ Handy-TV explodiert. (ssu)