Bluff oder Coup: Angriff auf den Weltkonzern Vivendi

Mit geliehenen Milliarden will der Investor Alexander Vik Vivendi übernehmen und zerschlagen. Vivendi ist einer der größten Anbieter von Musik (Universal) und Videospielen, betreibt den französischen Pay-TV-Sender Canal+ und ist im Mobilfunk tätig.

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Von
  • Hans-Hermann Nikolei
  • dpa

Großer Bluff oder Coup des Jahrhunderts? Mit geliehenen Milliarden will der in Monaco residierende Norweger Alexander Vik den französischen Weltkonzern Vivendi für 39 Milliarden Euro aufkaufen und zerlegen. Sein auf den britischen Kaiman-Inseln beheimateter Investmentfonds Sebastian Holdings hat dafür angeblich 19 Milliarden Euro von der Deutschen Bank und der Bank of America zugesagt bekommen.

Natürlich wehrt sich Vivendi mit Leibeskräften. Der Medien- und Telecomkonzern strotzt nach erfolgreicher Rosskur nur so vor Selbstvertrauen. Bis zum überraschenden Angriff des "Vik-ingers" träumte Vivendi von flotter Expansion auf riesigen neuen Märkten für Musik- und Filmvertrieb über Handy. Schließlich hat Vivendi mit seinen Sparten Musik (Universal Music) und Videospiele (Vivendi Universal Games), Pay-TV (Canal+) und Mobilfunk (SFR/Frankreich und Maroc Telecom) alle Trümpfe selbst in der Hand.

Doch dann kam Vik. Der Raider, der in den 90er Jahren in New York beim Internetboom mit Übernahmen und Wiederverkäufen von Dotcom-Firmen" ein Vermögen gemacht hat, äußert Zweifel am Sinn der Strategie. Er will den Konzern mit fast 20 Milliarden Euro Umsatz und einer 20-Prozent-Beteiligung am Hollywood-Konzern NBC Universal zerlegen, um den Wert zu steigern.

Zunächst nahm kaum einer den Angriff aus dem winzigen Fürstentum Monaco ernst. Als Vik sich für gut 1,2 Milliarden Euro in das Kapital einkaufte und – mit deutlich unter fünf Prozent – größter Aktionär wurde, blieben die erfolgsverwöhnten Manager gelassen. Doch seit der Milliardär ein Übernahmeangebot für 39 Milliarden Euro angekündigt hat, läuten in Paris die Alarmglocken. Mitte Mai wiesen Manager und Aufsichtsräte einstimmig Viks Pläne als unsinnig zurück und bekräftigten ihre eigene Strategie. Die Videospiele und das Pay-TV stünden ohne die anderen Sparten viel schlechter da. Konzernchef Jean-Bernard Lévy erklärte, die völlig unrealistische Forderung eines "Aktionärs ohne gesicherte Finanzen" sei hinfällig.

Doch die Konzernbosse sind nervös. Jetzt stichelt Vik, Lévy und der charismatische Vivendi-Sanierer und Aufsichtsratschef Jean-René Fourtou hätten sich offen für strategische Neuausrichtungen gezeigt. Die Genannten dementieren heftig. Fourtou erklärt zudem, Vik biete viel zu wenig. Er müsse mindestens eine Prämie von 30 Prozent auf den Aktienkurs bieten, also ein paar Milliarden drauflegen.

Niemand weiß, was der Norweger, der seine Jugend an südlichen Stränden verbrachte, mit dem Börsenschwergewicht wirklich vorhat. Vik nennt Vivendi abfällig einen "auf Telekommunikation und Medien konzentrierten Investmentfonds". Getrennt wären die Sparten mehr wert. Für Vivendi ist das "wirtschaftlich und juristisch ohne Basis". Bei einer Zerschlagung entfiele die Möglichkeit, riesige Altverluste aus der Zeit der Börsenblase steuerlich über Jahre zu verrechnen.

Um die Aktionäre bei der Stange zu halten, legte Vivendi eine Geschäftsprognose gleich bis zum Jahre 2011 auf. Angesichts der Verankerung auf zwei Märkten, die derzeit im tiefen Umbruch sind – Musik und Telekommunikation –, erscheint das zwar gewagt. Doch der Markt nahm die Botschaft dankend auf. Bis 2011 soll jede einzelne Sparte jährlich operativ um acht bis zehn Prozent expandieren. Der Überschuss soll 2006 um 16 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro steigen und 2011 zwischen 3,5 und vier Milliarden Euro erreichen. Voraussetzung sei aber die Beibehaltung der auf Spartensynergien beruhenden Strategie. Die Gespräche mit Vik hat Vivendi abgebrochen. Jetzt ist der Investor am Zuge. (Hans-Hermann Nikolei, dpa) / (jk)