Die Revolution kommt in die Jahre
Zur Feier von 50 Jahren Forschung zur Künstlichen Intelligenz klagen Veteranen der Zunft über Stagnation, die jüngere Generation präsentiert ihre Erfolge.
Zur Feier von 50 Jahren Forschung zur Künstlichen Intelligenz klagen Veteranen der Zunft über Stagnation, die jüngere Generation präsentiert ihre Erfolge.
1956 fand am Darthmouth College, Hanover, New Hampshire (USA) die erste Konferenz statt, die sich ausschließlich mit dem Thema der Künstlichen Intelligenz (KI) befasste. Sie gilt heute als die Geburtsstunde des Forschungsansatzes, Computer mit jenen menschlichen Fähigkeiten auszustatten, die als Zeichen von Intelligenz gewertet werden: Mathematische Beweise zu führen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden oder natürliche Sprache mit all ihren Mehrdeutigkeiten zu verstehen. Zur Feier des runden Geburtstages luden die Veranstalter der diesjährigen deutschen KI-Konferenz gestern prominente Vertreter ihrer Zunft zum Symposium "50 Jahre künstliche Intelligenz" im Rahmen des Informatikjahrs nach Bremen ein.
Marvin Minsky vertrat dabei die Pioniere der ersten Stunde unter den Festrednern. Zusammen mit seinen Kollegen hatte er vor 50 Jahren die Forscher zur heute gefeierten Darthmouth-Konferenz zusammengetrommelt. Dass in der Messehalle nebenan heute Hunderte von Robotern eine Fußballweltmeisterschaft ausfechten, entlockt dem KI-Pionier der ersten Stunde nur ein müdes Lächeln: Er hofft, dass bald sämtlicher Sport nur noch von Robotern betrieben wird -- "damit Menschen wichtigere Dinge tun können". Seiner Ansicht nach blieb zu viel liegen: Ihn stört, dass kaum ein KI-Forscher mehr das ursprüngliche Ziel verfolgt, eine universell einsetzbare, intelligente Maschine zu bauen, die alle denkbaren Arten von Problemen lösen kann. Die meisten Wissenschaftler konzentrieren sich heute auf fest umrissene Teilgebiete wie statistische Lernverfahren oder Bildverarbeitung -- und vor allem würden sie ihre Zeit damit verschwenden, Dinge immer wieder zu wiederholen, poltert Minsky: "KI-Forscher sind Feiglinge -- wenn sie sehen, dass tausend Leute an neuronalen Netzen arbeiten, sagen sie, ok, das mache ich auch, es ist eine sichere Sache." Kaum einer traue sich an eine umfassende Modellierung von gesundem Menschenverstand heran, seit alle nur noch statistische Lernverfahren benutzen würden.
Einer der vielen so Geschmähten ist Sebastian Thrun, Leiter des KI-Labors in Stanford. Wachsende Rechnerleistung ermögliche es, mit statistischen Methoden gleichfalls wachsenden Datenmengen Herr werden, führt er aus -- Erfolgsmodell dieses Ansatzes ist Thruns autonomes Fahrzeug Stanley, das im vergangenen Jahr das Grand Challenge-Rennen gewann. Tatsächlich habe man gar nicht erst versucht, der Maschine ein wirkliches Verständnis ihrer Umwelt einzupflanzen: "Stanley sollte nicht lernen, was eine Straße ist und ihr dann folgen, sondern nur schauen, wo finde ich mehr von dem, was zuvor vor mir war?"
Dennoch herrscht auf dem Podium bald weitgehende Einigkeit darüber, dass menschliches Lernen nicht ausschließlich auf einer Statistik über Erfahrungswerte beruhen könne, sondern auch auf abstrake Vorstellungen aufbaue -- "wir lernen Physik in einer symbolischen Form und nicht darüber, dass wir alle physikalischen Experimente der letzten 300 Jahre selbst wiederholen", bemerkt Wolfgang Wahlster, Leiter des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz DFKI. Bei den Versuchen, Computern das Verständnis natürlicher Sprache beizubringen, werden bereits symbolische und statistische Vefahren parallel eingesetzt, was die Genauigkeiten erhöht. Wann diese Technik allerdings Anwendungen wie Fremdsprachen übersetzende Telefone möglich machen (eine klassische Herausforderung für die KI), steht allerdings noch in den Sternen. Aaron Sloman, britischer Philosoph und seit den sechziger Jahren mit Grundlagenforschung in Sachen Künstlicher Intelligenz befasst, hält solche Ziele für die ohnehin falschen Fragen an KI als Wissenschaft: "Wir sollten aufhören, sowas anzukündigen und lieber zu untersuchen, wie die Dinge wirklich funktionieren." Sloman ist überzeugt: "Viele Fragen kennen wir noch nicht -- aber wir gehen in die richtige Richtung". (pek) (as)