Technik hält die "Family 2.0" zusammen

Nach einer Umfrage in 16 Ländern haben die Menschen durch Mediennutzung oft schon einen "43-Stunden-Tag" und greifen daher verstärkt zum Multitasking.

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Von
  • Florian Rötzer

Eine von Yahoo und OMD Research durchgeführte Umfrage unter 4780 Menschen in 16 Ländern suchte die Mediennutzung der "globalen Familien im digitalen Zeitalter" herauszufinden und daraus Empfehlungen für die Werbung abzuleiten. Eines der Ergebnisse für die in Analogie zu Web 2.0 getaufte "Family 2.0" ist wenig überraschend, nämlich dass etwa in den USA die traditionelle Familie aus Mutter, Vater und Kindern nur noch 33 Prozent der Haushalte ausmacht. In China stellen die traditionellen Familien immerhin noch 58 Prozent, in Indien sogar noch 59 Prozent.

Immer wichtiger würden Telekommunikationsmittel und Medien für die Bewältigung von Familienaufgaben und für den Zusammenhalt der Familien. "Family 2.0", so Michele Madansky, Vizepräsidentin für Forschung bei Yahoo, ist eine vor allem im Westen ausgeprägte Lebensform von "zwei oder mehr Individuen", die gemeinsame Verbindungen haben, aber ganz unterschiedlich zusammengesetzt sind. Die Technik werde zum Hintergrund für die "sich verändernde Landschaft" der modernen Familien.

Über die Hälfte der jüngeren Menschen zwischen 18 und 34 Jahren meint bereits, dass sie ohne technische Kommunikationsmittel nicht mehr den Kontakt mit Freunden und der Familie aufrechterhalten könnten. 34 Prozent fürchten, dass sich ihr Leben dadurch einschränken würde. Etwa genauso viele behaupten, dass die Kommunikationsmittel ihnen helfen, ihre Schüchternheit zu überwinden. Vielleicht ermöglichen sie teilweise auch erst wieder eine Kommunikation, wie Michele Madansky sagt: "Viele Mütter erklärten, dass sie Teenager haben, die mit ihnen nicht direkt sprechen würden. Aber über Instant Messaging haben sie mehr Gespräche, als dies jemals Face-to-Face möglich wäre."

Natürlich wird das Internet intensiv – und damit passend für Suchmaschinenanbieter – für die Suche nach Reisen, Arbeit, Waren, medizinischen und finanziellen Informationen oder zum Tausch von Fotos genutzt. Angeblich, so sagen 56 Prozent, habe das Internet Kindern bei ihren Schulaufgaben geholfen, 61 Prozent glauben, dass das Internet ihren Kindern andere Kulturen näher gebracht habe. Für Nachrichten steht aber das Fernsehen an erster Stelle, gefolgt vom Internet. Dann erst kommen die Tagezeitungen, die eher als sekundäre Quelle genutzt würden, beispielsweise für lokale Informationen.

Und weil die Familienmitglieder durch die "Always on"-Geräte permanent an die Medien angeschlossen sind, ergebe sich aus der Mediennutzung paradoxerweise eigentlich ein 43-Stunden-Tag für die US-Amerikaner. Mexikaner, Inder und Chinesen liegen hier mit 46, 45 beziehungsweise 44 Stunden allerdings noch höher, während es in Frankreich mit einem 34-Stunden-Tag oder erstaunlicherweise im technisch hochgerüsteten Südkorea mit einem 33-Stunden-Tag geradezu noch sehr gemütlich zugeht.

Befragt nach den täglichen Aktivitäten gaben die US-Amerikaner an, dass sie mit Schlafen, Arbeiten, Familie, Freunden und Medien insgesamt weit mehr als 24 Stunden verbringen. Die Lösung des Rätsels besteht nach dem Bericht im Multitasking, das erforderlich ist, um den Alltag zu bewältigen. Angeblich nutzen US-Amerikaner mit 3,6 Stunden täglich das Internet mehr, als sie fernsehen (2,5 Stunden). Für E-Mail ergeben sich 1,2 Stunden, für Instant Messenger 1 Stunde. Die Mediennutzung ist in den USA am höchsten, allerdings ist nur ein Drittel der befragten Eltern der Meinung, dass die Kinder zu wenig Sport betreiben oder Beschäftigungen außer Haus nachgehen. In anderen Ländern sieht man das freilich anders. So äußern 41 Prozent der Befragten in Taiwan, Südkorea oder Indien die Kritik, dass die Kinder nicht genug nach draußen gehen, in China sagen dies 63 Prozent.

Durchschnittlich haben die Familien in den 16 Ländern – Deutschland war nicht dabei – 11 elektronische Geräte zur Verfügung (in den USA sind es 12). Interessant ist, dass es in der Nutzung teils erhebliche Unterschiede gibt. So liegen die USA bei der Verwendung von Handys ganz hinten. Briten haben am meisten Digital-Videorecorder, Asien führt bei MP3-Playern.

Der Bericht streicht heraus, dass das Leben mit den "Always on"-Medien auch zu einer Wiederkehr traditioneller Werte führen. So sagen 73 Prozent der Familien mit Kindern, dass es wichtig sei, zusammen zu essen. 90 Prozent meinen, sie verbringen gerne ihre Zeit mit ihren Familien. Dabei handelt es sich aber vielleicht eher um Wünsche, denn um gelebte Wirklichkeit in der Multitasking-Family 2.0. Für die Werbung hat Joe Ova, Präsident von OMD, einen guten Rat, um die Menschen mit ihrem 43-Stunden-Tag noch zu erreichen: "Diese 'längeren' Tage spiegeln das Multitasking auf allen Ebenen der Familie wider, daher ist es heute wichtiger denn je für die Werbung, sich auf die Menschen einzulassen und ihnen zu helfen, ihr Leben zu bereichern, anstatt das Durcheinander zu vergrößern." (fr)