BGH spricht Verbraucherzentrale Klagerecht bei EC-Karten-Missbrauch zu

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist die Verbraucherzentrale NRW berechtigt, Sammelklagen für geschädigte Bankkunden zu führen. Die Verbraucherschützer freuen sich über ein richtungweisendes Urteil.

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einer am heutigen Dienstag veröffentlichen Entscheidung (Az.:XI ZR 294/05) der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ-NRW) das Recht zugestanden, eine Sammelklage für geschädigte EC-Kartenbesitzer zu führen. Die Richter korrigierten damit Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die dem Verbraucherverband die Klageberechtigung abgesprochen hatten.

Im vorliegenden Fall hatte die VZ-NRW stellvertretend für geschädigte Bankkunden verschiedene Kreditinstitute auf Erstattung der nach Kartendiebstahl unberechtigt, aber mit korrekter PIN abgehobenen Summen verklagt. Die Banken lehnten eine Haftung unter Hinweis auf die Sicherheit des PIN-Systems ab, obwohl die Kunden versichert hatten, die PIN vertragsgemäß geheim gehalten zu haben. Die Verbraucherschützer wollten vor Gericht klären lassen, ob eine solche Haftungsverweigerung rechtmäßig ist. Die Organisation hat nach eigenen Angaben stellvertretend für 74 von fast 1500 registrierten Geschädigten fünf Geldinstitute (Citibank AG, Deutsche Bank AG, EURO-Kartensysteme, Postbank AG und Stadtsparkasse Düsseldorf) auf insgesamt 85.000 Euro Schadensersatz vor vier Landgerichten verklagt.

Während drei Klagen von den Gerichten angenommen wurden, hatte eine Kammer des Landgerichts Düsseldorf und in der Folge auch die Berufungsinstanz am Oberlandesgericht eine der Klagen mit der Begründung abgewiesen, die Verbraucherzentrale sei nicht berechtigt, die Sammelklage zu führen. Die Klage sei nicht im Sinne des Verbraucherschutzes, die Abtretung der Einzelforderungen an die Verbraucherschützer nichtig und eine Klageberechtigung der VZ-NRW nach dem Rechtsberatungsgesetz daher nicht gegeben. Angesichts abweichender Rechtsprechung hatte das OLG Düsseldorf eine Revision beim Bundesgerichtshof allerdings zugelassen.

Der BGH hat das Urteil nun aufgehoben und das Verfahren an das OLG zurückgegeben. Damit Verbraucherorganisationen wie die VZ-NRW die abgetretenen Forderungen der Betroffenen einklagen können, muss die Klage nach dem Rechtsberatungsgesetz dem kollektiven Verbraucherinteresse dienen und eine effektivere Verfolgung dieser Interessen als durch eine Individualklage ermöglichen. Dies hatten die Düsseldorfer Kammern in ihren Entscheidungen als nicht gegeben erachtet. Der BGH konstatiert dagegen, die Frage nach der Sicherheit des Verschlüsselungssystems betreffe als Grundlage für die Beweislastverteilung nicht nur Belange des einzelnen Verbrauchers, sondern auch kollektive Verbraucherinteressen. Auch stünden die voraussichtlichen Prozesskosten angesichts eines wahrscheinlich erforderlichen unabhängigen Gutachtens im besonderen Missverhältnis zu den jeweiligen Schadenssummen und könnten so für einzelne Geschädigte ein Klagehemmnis darstellen.

Mit der "richtungweisenden Entscheidung" sei "der Weg frei für ein Musterverfahren, das die Haftungsverteilung bei Karten-Missbrauch und die Sicherheit der Zahlungskarten in Deutschland grundsätzlich klärt", freut sich der Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, Klaus Müller. Jetzt könne unter anderem in den laufenden Prozessen geklärt werden, "ob die Sicherheitssysteme der Banken einer technischen Überprüfung durch Sachverständige standhalten". Außerdem werden Auseinandersetzungen der Verbraucherzentralen bei Massenschäden oder bei Vertragsverletzungen zum Beispiel im Energiebereich zukünftig erleichtert, erwartet Müller. (vbr)