Schnelles WLAN: Macht und Marketing

Mit Airgo Networks kauft der Handychip-Hersteller Qualcomm nicht nur Wissen und Patente, sondern auch Einfluss beim Normungsprozess für die nächste WLAN-Generation.

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Kürzlich kündigte Qualcomm an, den WLAN-Chipentwickler Airgo Networks aufzukaufen. Qualcomm gilt in Nordamerika als Schwergewicht im Bereich Mobilfunk-Chips für Basisstationen und Terminals (Handys, PDAs), verfügt für diesen Bereich über ein weitreichendes Patent-Portfolio und ist beim Schutz seiner Lizenzeinkünfte als klagefreudig bekannt. Mit Flarions Flash-OFDM hat das Unternehmen vor einiger Zeit eine Technik für schnellen Datenfunk im Stadtbereich erworben, die durchsatzmäßig zwischen UMTS und Wimax liegt. An beiden Techniken verdient Qualcomm bereits mit. Mit WLAN hatte der Konzern bislang nichts am Hut.

Nun wiederholt man mit der Übernahme den Lizenz-Schachzug: Airgo – Pionier bei MIMO-WLAN-Bausteinen – besitzt Patente, die die Anwendung von MIMO-Techniken im Zusammenspiel mit der Übertragungsmethode OFDM bei WLAN abdecken. Das verspricht offensichtlich Einnahmen bei WLAN-Chipsätzen nach dem kommenden IEEE-Standard 802.11n, denn OFDM und MIMO sind unerlässliche Zutaten für den angepeilten Durchsatzsprung auf mehrere hundert Megabit pro Sekunde statt den bisher höchstens 54 MBit/s auf Funkebene. Qualcomm will nicht nur die Airgo-Chips für Router und Adapterkarten weiter ausliefern: Die WLAN-Technik soll – ebenso wie die parallel aufgekaufte Bluetooth-Sparte von RF Micro Devices – in die Handy-Chipsätze wandern, damit Mobiltelefonhersteller leichter Geräte mit mehreren Funkschnittstellen entwickeln können. Die Integration verspricht Bauteilkosten sowie Strom- und Platzbedarf zu senken.

Durch die Übernahme bildet Qualcomm ein Gegengewicht im Standardisierungsprozess für 802.11n, der momentan vom Enhanced Wireless Consortium dominiert wird. Weder Airgo noch Qualcomm sind bisher Mitglied in dieser Vereinigung der maßgeblichen WLAN-Hersteller. Zum ausschlaggebenden Gegenspieler könnte der EWC-Teilnehmer Intel werden: Sein kürzlich bekannt gewordenes Kedron-Modul dürfte wie schon bei Centrino einen De-facto-Standard setzen und so die Standardentwicklung in seine Richtung beeinflussen.

Mitglieder der IEEE-Arbeitsgruppe müssen für die Teilnahme an der Standardisierung mit einem Letter of Assurance zusichern, den Prozess nicht durch relevante Patente zu behindern oder zu unterlaufen. Airgo und Qualcomm haben zwar diese Zusicherung gegeben, dabei aber keine konkreten Patente spezifiziert. Dass es rund um das schnelle WLAN künftig zu Patentstreitigkeiten kommt, ist deshalb nicht auszuschließen: Bereits bei 3G-Mobilfunk-Chipsätzen hadert das prominente EWC-Mitglied Broadcom mit Qualcomm.

Bereits unter Qualcomm-Flagge kündigte der Übernahmekandidat die vierte Generation seines MIMO-WLAN-Chipsatzes an, und das auf geradezu prophetische Weise: Der AGN400 solle bereits jetzt die erst im März 2007 erwartete Entwurfsfassung Draft 2.0 unterstützen. Das ist allerdings keine große Kunst, denn derzeit ist das Standardisierungsgremium hauptsächlich damit beschäftigt, die im Frühjahr 2006 aufgekommenen Kommentare nach und nach abzuarbeiten. Inzwischen sind von den 1000 im September noch offenen Punkten nur noch rund 370 übrig. Neue Elemente kommen laut Beobachtern mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr hinzu, sodass sich das Anpassen existierender Chips mehr auf Weglassen statt Nachimplementieren von Funktionen beschränken wird. Entwickler erhalten den AGN400 jetzt in Musterstückzahlen, als Massenprodukt soll er im ersten Quartal 2007 verfügbar werden. (ea)