FBI praktiziert angeblich rechtswidriges Abhören mit "Staubsaugermethode"

Die schon vor Jahren ĂĽber die FBI-Lauschtechnik Carnivore und den gesetzwidrigen Generalverdacht gegen alle Internetnutzer gefĂĽhrte Debatte wird in den USA wieder aktuell.

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Von
  • Florian Rötzer

Nach Auskunft von Paul Ohm, einem früheren Staatsanwalt an der Abteilung für Computerkriminalität (CCIPS) des US-Justizministeriums, der jetzt Recht an der University of Colorado lehrt, setzt das FBI seit einiger Zeit eine zusätzliche Überwachungstechnik ein. Ähnlich wie das jahrelang ohne richterliche Genehmigung heimlich praktizierte Abhören der Telekommunikation durch die National Security Agency hat das FBI dabei die rechtliche Grundlage ausgedehnt. Liegt ein Durchsuchungsbefehl vor, wendet sich das FBI an den Provider, um die Daten eines Verdächtigen zu erhalten. Kann der Provider aufgrund technischer Probleme die "bestimmte Person oder die IP-Adresse" nicht isolieren, wird laut Ohm der gesamte Internetverkehr abgespeichert. Angeblich werden dadurch die Daten von Tausenden von Internetnutzern, die zufällig in den "Staubsauger" (Ohm) geraten sind, nicht gelöscht, sondern aufbewahrt, um sie bei Bedarf nach zweckdienlichen Informationen durchsuchen zu können.

Ohm diskutierte dieses Vorgehen auf einer Konferenz Search & Seizure in the Digital Age an der Stanford University mit Richard Downing von der CCIPS und erklärte gegenüber CNet in einem Telefongespräch, dass das FBI alles sammle, was in einem Teil des Netzwerks an Daten vorhanden sei. Wenn es hier viele IP-Adressen gebe, würde man diese nicht löschen: "Man lauscht zuerst und benutzt irgendwelche Filter oder Data-Mining-Techniken, um Informationen über die Person zu erlangen, die überwacht wird."

Das FBI darf mit einer richterlichen Genehmigung nur den Internetverkehr einer bestimmten Person abhören und ist verpflichtet, das Abhören der Kommunikation von anderen Personen zu "minimieren". Damit ist freilich eine Möglichkeit gegeben, diese Minimierung etwas breiter auszulegen. So wies Downing darauf hin, dass es erlaubt ist, die Information zunächst aufzubewahren, wenn sie verschlüsselt oder in fremder Sprache ist, um eine Entschlüselung bzw. Übersetzung zu ermöglichen.

Aus diesem Grund wurde vom FBI vor einigen Jahren eine Technik namens "Carnivore" (Fleischfresser) entwickelt, um beim Provider nur die Internetdaten der betroffenen Person herauszufiltern. Die Technik, bei der zunächst auch der gesamte Internetverkehr durchsucht werden muss, war heftig umstritten und wird schon seit einiger Zeit nicht mehr eingesetzt. Die neue Praxis des erweiterten Abhörens wird von Bürgerrechtlern als verfassungswidrig abgelehnt.

Das FBI verteidigt in einem Statement die praktizierte Minimierung. Abgehört und gespeichert würde nur, was gesetzlich erlaubt sei. Nach der Speicherung der Kommunikation der Verdächtigen werde diese ordnungsgemäß durch Unterscheidung von relevanter und unwichtiger Information im Hinblick auf die richterliche Genehmigung minimiert. Nur selten geschehe ein Durchsuchen von "großen Datenverbindungen in Echtzeit, die den Verkehr von vielen, unverbundenen Anlagen übertragen". Dazu würden "automatische Filter" eingesetzt, die nur die Daten herausfischten, die mit dem gesetzlich erlaubten Ziel verbunden seien. Alle anderen Daten würden sofort gelöscht, daher würden sie von niemanden angeschaut werden. Es habe sich nichts gegenüber früher verändert.

Das Problem, dass auch die Internetdaten von unbeteiligten Personen durchsucht werden müssen, um diejenigen einer bestimmten Person herauszufischen, lag allerdings der auch im Kongress geführten Debatte über Carnivore zugrunde. Mit dem 11. September geriet das in Vergessenheit und taucht nun wieder als Problem auf, weil damit alle Internetbenutzer unter Generalverdacht gestellt werden. Das ist auch das zentrale Thema bei der geplanten Vorratsdatenspeicherung in Deutschland sowie bei der kürzlich bekannt gewordenen Kreditkartenprüfung von Millionen von deutschen Bürgern im Rahmen der Suche nach Kunden einer Website mit kinderpornografischem Material, gegen die es mittlerweile 20 Beschwerden bei Gericht gibt. Der US-Justizminister Alberto Gonzales plant, nach dem Vorbild der Europäer auch in den USA die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung einzuführen. (fr)