ICANN-Tagung beschäftigt sich mit Datenschutz, Registerfly und XXX

Auf dem ICANN-Treffen in Lissabon geht der alte Streit um die Reform der Whois-Datenbank und den Datenschutz weiter. Darüber hinaus wird es erneut um die Rotlicht-Domain und um Maßnahmen gegen Verstöße der Registrare gehen.

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Von
  • Monika Ermert

Einschränkungen beim Zugriff von Strafverfolgern und Behörden auf die Daten von Domaininhabern befürchtet die US-Vertreterin im Regierungsbeirat der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN). Bei der Tagung der privaten Namensverwaltung in Lissabon, die am heutigen Montagmorgen offiziell begann, will die Generic Name Supporting Organisation (GNSO) über Empfehlungen zu dem Dauerstreitthema Datenschutz entscheiden. Registries, Registrare und Nutzervertreter kämpfen seit mehreren Jahren für eine datenschutzfreundlichere Whois-Datenbank.

Der Vorschlag der Registrare beruht darauf, persönliche Kontaktdaten (vor allem E-Mail und Postadresse) zu verbergen und lediglich beim Registrar vorzuhalten. Nach außen soll die Erreichbarkeit durch den Eintrag eines Operational Point of Contact (OPOC) gewährleistet werden. Markenrechtsexperten wollen dagegen das Verbergen aller Daten nur in Ausnahmefällen erlauben, dann allerdings einschließlich des Namens. Generelle Datenschutzbedenken oder der Schutz vor Spam würden als Argument für ein solches Anonymitätsprivileg nicht ausreichen. Vielmehr müsse dann eine neutrale dritte Organisation darüber entscheiden, ob durch die Publikation der persönlichen Daten eine Gefahr für Leib und Leben bestehe.

Dieser Vorschlag wurde von den Markeninhabern in letzter Minute gemacht, um den praktisch fertigen OPOC-Vorschlag zu torpedieren, warnte der Vertreter der Internetnutzer, Milton Mueller, die versammelten Regierungsvertreter. "Wir haben allein schon deshalb Bedenken, weil Datenschutz hier als Privileg und nicht als Recht behandelt wird", kritisierte auch Hans Klein vom Open Forum of Cambodia. GNSO-Mitglied Avri Doria monierte, dass die Markenrechtsinhaber mit den vorgeschlagenen Details dem US-Recht universelle Geltung verschaffen würden.

Es gehe nicht so sehr um den Datenzugriff durch die Polizei eines Landes auf die Whois-Daten der Nutzer im eigenen Land, sagte der Vertreter Frankreichs, Bertrand de la Chapelle, oder auch der Datenzugriff durch Länder mit ausreichenden Datenschutzvorschriften. "Die Schlüsselfrage ist doch, wollen wir Zugang zu Daten im eigenen Land an Länder geben, bei denen wir befürchten, dass sie den Datenschutz nicht einhalten." De la Chapelle wies darauf hin, dass man eigentlich noch ganz am Anfang einer Neuregelung sei, denn noch fehle der Entwurf der Regeln, nach denen wer zu welchem Zweck auf die nicht mehr öffentlichen Daten zugreifen darf. Im Regierungsbeirat hat man sich laut US-Vertreterin Sene immerhin auf Empfehlungen an die Arbeitsgruppe geeinigt, die man diese Woche noch vorstellen will.

Die Regierungen wollen im Lauf der Woche auch ihre Empfehlungen zur Einführung neuer Adresszonen vorstellen, an denen übers Wochenende gearbeitet wurde. Dabei bleibt spannend, inwieweit die Regierungen versuchen werden, eine Art Einspruchsrecht gegen ihrer Meinung nach nicht angemessene Zonennamen zu bekommen. Beispiel dafür, wie sehr nationale Interessen der ICANN dabei hineinregieren, ist der Fall der Rotlicht-Domain ".xxx". Vor einer neuen Art der Zensur durch einige wenige Regierungen warnten kurz vor dem ICANN-Treffen in Lissabon verschiedene Internetaktivisten, unter ihnen GNSO-Mitglied Avri Doria und das ehemalige ICANN-Vorstandsmitglied Mike Palage. Die beiden verwiesen (PDF-Dokument) auf einen Entwurf der Regierungsempfehlungen, der statt allein den USA einer kleinen Gruppe von Regierungen ein Vetorecht einräumt. Dem widersprachen einzelne Regierungsmitglieder am Rande ihrer Sitzung. Über .xxx will die ICANN diese Woche entscheiden.

Auch werden in Lissabon mögliche Maßnahmen diskutiert, mit denen ein Schlamassel wie bei dem von ICANN gestoppte Registrar Registerfly künftig verhindert werden kann. Registerfly mit rund 850.000 Domains hatte praktisch aufgehört, Kundenanfragen und -aufträge zu bearbeiten. ICANN hatte daraufhin erstmals in seiner Geschichte eine Akkreditierung entzogen.

Zum Abschluss des ICANN-Treffens steht noch hoher Besuch ins Haus. Der neue Generalsekretär der International Telecommunications Union (ITU), Hamadoun Touré, gibt ICANN die Ehre. Er sei hocherfreut über die Anwesenheit von Touré beim ICANN-Treffen, sagte ICANNs CEO und Präsident Paul Twomey in einer Pressekonferenz. Die beiden Organisationen hatten in den vergangenen Jahren zeitweilig Schwierigkeiten beim Aushandeln der jeweiligen Aufgabenbereiche.

Das Treffen wird per Webcast übertragen, viele Dokumente finden sich auf der neuen Public Participation Site. (Monika Ermert) / (vbr)