ICANN will das Zombie-Problem lösen

Die ICANN will sich in Zukunft mit "wandelnden Toten" wie dem handlungsunfähigen Registrar Registerfly effektiver auseinander setzen können.

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Von
  • Monika Ermert

Am kommenden Samstag endet die Akkreditierung für Registerfly als offizieller Registrar der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN). Für die rund 100.000 Kunden des gestrauchelten Registrars ist unterdessen weiter ungewiss, wann sie tatsächlich über die rund 850.000 registrierten Adressen verfügen können. Nach einer Information der ICANN bleibt dem zerstrittenen Registerfly-Management noch eine 15-tägige Frist, innerhalb der sie ein Streitschlichtungsverfahren anstrengen können. Außerdem rechnet die ICANN noch mit juristischer Gegenwehr, erwartet allerdings auch, dass Adressen trotzdem übertragen werden können.

Auf dem ICANN-Treffen in Lissabon hat das Registerfly-Debakel zu einer Debatte über eine konsequentere Aufsicht der ICANN über die Registrare geführt. Die ICANN rechnet künftig mit weiteren Registraren, die ihren Geschäftsbetrieb aufgeben müssen. "Das größte Risiko ist nicht, wenn ein Unternehmen untergeht, sondern wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät. Wir haben sozusagen ein Zombie-Problem", sagte ICANN-Präsident Paul Twomey. Der "wandelnde Tote" Registerfly hat ICANN eine Menge Ärger und eine Menge Arbeit gebracht: Tausende von E-Mails und Anrufen verärgerter Kunden veranlassten die private Namensverwaltung, die sich eigentlich nicht als Verbraucherschutzorganisation versteht, Personal eigens für die Abarbeitung der Beschwerden abzustellen. Insgesamt gingen 2006 rund 10.000 Beschwerden bei der ICANN ein.

In jedem Preissegment gebe es Registrare, die dem Preisdruck nachgeben und daran letztlich eingehen, sagte Twomey. Damit stehe seine Organisation vor dem Problem, die registrierten Domains sauber an andere Registrare zu übertragen. Das allein sei schon schwierig genug. Im Falle Registerfly dürfte die Übertragung der Domains noch einiges Chaos mit sich bringen, weil die von Registerfly erhaltenen Daten "etwas veraltet" seien. "Wir haben Daten, aber ganz glücklich sind wir nicht mit ihnen", sagte ICANN-Vizepräsident Paul Levins. Nicht zuletzt gebe es Schwierigkeiten bei den Domains, die über einen Proxy-Provider registriert wurden. ICANN sei nicht gegen solche Proxylösungen – die anonyme Registrierung erlauben – allerdings müssten Kunden möglicherweise Vorsorge für eben solche Übertragungen treffen.

Mit den Registraren will Twomey nun darüber diskutieren, wie Registrierdaten regelmäßig an ICANN übermittelt werden und welche zusätzlichen Mittel zur Durchsetzung der Regeln etwa für Domaintransfers notwendig sind. Er verstehe die Paranoia der Registrare, die sich nicht in ihr Geschäft hineinregieren lassen wollen. Mögliche Änderungen im Vertrag zwischen ICANN und den derzeit rund 850 Registaren (Registry Accreditation Agreement, RAA) sollen daher in den kommenden Monaten ausgehandelt werden.

Die Registrare begrüßten in einer ersten Erklärung ein verbessertes Verfahren für die Weitergabe der Registrierdaten und die effektivere Durchsetzung der bestehenden Regeln. Bei einer Diskussion der Registrare am heutigen Dienstag in Lissabon waren die Reaktionen auf die von Twomey aufgeworfenen Fragen allerdings recht gemischt. Es gab keine Mehrheit für Vorschriften über die technische Qualität der Registrare und ebensowenig für neue Verpflichtungen, die Verantwortung für das eigene Reseller-Netz mit zu übernehmen. Das tue man jetzt bereits, heißt es auf Seiten der Registrare.

Tucows-CEO Elliot Noss empfahl, ICANN solle doch erst einmal die bestehenden Regeln wirklich durchsetzen. Die Registrare, die sich an die Regeln etwa für reibungslose Transfers halten, litten unter denen, die das nicht tun. Viel zu spät, meinen auch die Nutzervertreter innerhalb der ICANN (At Large Advisory Committee, ALAC), habe sich die ICANN um Registerfly gekümmert. Registerfly ist der erste Registrar, der tatsächlich zur Rechenschaft gezogen wurde. Möglicherweise brauche man weniger drastische Sanktionen, um über die Stränge schlagende Registare zu bestrafen, sagte der spanische Anwalt Amadeu Abril i Abril. Ein "Todesurteil" als erste mögliche Sanktion sei doch ein bisschen "Overkill". Stattdessen solle man besser über kurzzeitige Sperren nachdenken. (Monika Ermert) / (vbr)