IT trägt in der EU mit 50 Prozent zum Produktivitätswachstum bei

Der Jahresbericht der EU-Kommission über die digitale Wirtschaft ist optimistisch, die öffentlichen und privaten Investitionen würden Früchte tragen.

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Von
  • Florian Rötzer

Nach dem Jahresbericht über die Informationsgesellschaft 2007, den die Europäische Kommission im Rahmen der 2005 in Fortsetzung der Lissabon-Strategie gestarteten i2010-Initiative (Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung) veröffentlicht hat, spielen die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eine wichtige Rolle für die europäische Wirtschaft und die Innovation. Im Vergleich zum EU-Gesamtmarkt wurden hier zwischen 2000 und 2004 50 Prozent des Produktivitätswachstums erzielt, der IKT-Sektor wachse auch weiterhin schneller als die Gesamtwirtschaft. Der Bericht bewertet, wie sich die Maßnahmen der Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission zur Förderung der digitalen Wirtschaft auswirken.

Die Bilanz für das Jahr 2006 sei gut, lobt die EU-Kommission vor allem auch sich selbst. "Unsere integrierte europäische Politik für Wachstum und Beschäftigung beginnt, sich auszuzahlen", so Viviane Reding, Kommissionsmitglied der EU für Informationsgesellschaft und Medien. "Dies ist für uns jedoch kein Anlass zur Selbstzufriedenheit. Die europäischen IKT-Unternehmen sind aufgrund der regulatorischen Fragmentierung des EU-Binnenmarkts, die das Entstehen europaweiter Dienste blockiert und Anbieter von elektronischen Kommunikationsdiensten und Softwareunternehmen im weltweiten Wettbewerb schwächt, noch nicht immer in der Lage, Größenvorteile zu nutzen. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen sich stärker darum bemühen, bestehende Hürden zu beseitigen, damit vor allem Online-Dienste besser vom EU-Binnenmarkt profitieren können."

Letztes Jahr hätten die Unternehmen wieder verstärkt in IT investiert, am meisten in Software und IT-Dienste, die 2006 um 5,9 Prozent gewachsen sind: "Enorme Umsätze bei der Systemsoftware und bei Anwendungen elektronischer Geschäftsabläufe lassen darauf schließen, dass Unternehmen neue und ausgereiftere E-Business-Lösungen wählen, auch wenn diese neuen Investitionen bislang auf Großunternehmen oder Früheinsteiger in fortschrittliche eBusiness-Lösungen beschränkt sein mögen." Auch im öffentlichen Sektor gebe es große Forschritte, und die Online-Angebote hätten vor allem seitens der Behörden, aber auch im Bildungs- und Gesundheitsbereich zugenommen.

Allgemein sei die Zahl der Internetnutzer weiter angestiegen, und Innovationen würden schnell von diesen angenommen werden. Dank der weiten Verbreitung von DSL-Zugängen wachse der Umsatz bei multimedialen Online-Angeboten wie Musik, Film oder Fernsehen. Dabei wird auch das Entwicklungspotenzial der Web-2.0-Angebote herausgetrichen: "Der Wandel vom herkömmlichen Vertrieb von Inhalten zur Online-Verfügbarkeit geht einher mit einer geradezu explosionsartigen Zunahme der von Nutzern geschaffenen Inhalte." Was schnelle Internetverbindungen, neue Dienstleistungen oder eGovernment betrifft, würde einige EU-Staaten weltweit führend sein. Die Zahl der neuen Breitbandverbindungen stieg 2006 um 20,1 Millionen in der gesamtem EU an und erreichte damit einen neuen Höchststand.

Allerdings gibt es unter den Mitgliedsstaaten erhebliche Unterschiede. Italien sei im 3G-Mobilfunk und beim Ausbau der Glasfasernetze führend, Großbritannien in der Verbreitung des digitalen Fernsehens. Wegen der hohen Zahl an Breitbandverbindungen werde an dänischen Schulen und von dänischen Unternehmen das Internet am meisten genutzt. Die britischen und schwedischen Arbeitnehmer hätten die beste IT-Kenntnis, die Niederländer nutzen am stärksten Online-Spiele und -Musik. Am meisten genutzt wird das Internet in Finnland, dort wird auch am meisten in die IKT-Forschung von Unternehmen investiert. Schweden und Finnland investieren 3,9 beziehungsweise 3,5 Prozent ihres BIP in die Forschung, der EU-25-Durchschnitt liegt jedoch bei nur 1,9 Prozent.

Deutschland hingegen sei in allen Bereichen mittelmäßig. Die Zunahme bei Breitbandverbindungen ist durchschnittlich (in ländlichen Gebieten unterdurchschnittlich), allerdings hätte weiterhin die Hälfte der Internetnutzer langsame Internetzugänge. Zwar liegen die Deutschen bei der Nutzung von Online-Diensten über dem Durchschnitt, was aber durch die große Zahl langsamer Internetverbindungen behindert werde. Die gebe es besonders auch an Schulen, wo Deutschland am unteren Ende rangiere. Besonders gut genutzt werde das Internet in den Bereichen E-Commerce und Online-Banking. Bei den öffentlichen Angeboten sei man in Deutschland aber wieder zurückgefallen, besonders Unternehmen nutzen eGovernment-Möglichkeiten sehr viel weniger als im EU-Durchschnitt.

Die EU-Kommission beabsichtigt, die "digitale Integration" weiter zu fördern, für möglichst alle Menschen einen "Hochgeschwindigkeits-Breitbandzugang" zu ermöglichen, die "digitale Kompetenz" in Bildung und Ausbildung zu stärken, die elektronischen Behördendienste auszubauen und für Interoperabilität besonders im Hinblick auf Gesundheitsdienste zu sorgen. Noch in diesem Jahr soll eine Initiative zum "Altern in der Informationsgesellschaft" gestartet werden. Dabei sollen Technologien in Produkte und Dienste so eingebunden werden, dass ein "umgebungsunterstütztes Leben" möglich wird. Die Umsetzung der Initiativen "digitale Bibliotheken" zur Digitalisierung kultureller Inhalte und der "intelligenten Fahrzeuge" sowie des Notrufsystems eCall werden fortgesetzt.

Für die Zukunft plant die EU-Kommission einen "europäischen Informationsraum", in dem die nationalen für Online-Dienste nicht mehr bestehen. Ein Erfolg auf dem Weg dahin sei die Sekung der Roaming-Gebühren gewesen. Als Hindernisse für die weitere Entwicklung der Informationsgesellschaft werden mangelnde Investitionen in höhere Bandbreiten, Netzneutralität, Verfügbarkeit von Frequenzen und Sicherheit bezeichnet. (fr)