US-Filmindustrie für neuen DRM-Standard mit Kopierrecht
Der Chef des Verbandes des US-Filmindustrie hat die Elektronikbranche zur gemeinsamen Entwicklungen eines Schutzstandards eingeladen, der den Verbrauchern weniger Probleme macht und mehr Freiheiten lässt.
Wenn der oberste Repräsentant der US-Filmindustrie BitTorrent und Amazon in einem Atemzug als mögliche Vertriebskanäle bezeichnet, dann dürfte er die Aufmerksamkeit des Publikums haben. Dan Glicksman, seines Zeichens Chef des US-Verbandes Motion Picture Association of America (MPAA), äußerte sich so auf einer vom Branchenblatt Variety und dem Datenbankanbieter LexisNexis organisierten Konferenz, auf der sich Industrievertreter mit dem Thema Digital Rights Management (DRM) auseinandersetzten. Glicksman bestätigte zwar das Bekenntnis der Filmstudios zu DRM, plädierte aber für einen neuen Standard, der dem Nutzer etwas mehr Spielraum lässt.
Dazu gehört nach Glicksmans Meinung auch die Privatkopie. Den Kunden müsse erlaubt sein, "autorisierte Kopien von den Inhalten zu machen, die sie kaufen". Die Filmindustrie strebt dafür einen neuen interoperablen Standard an, der beides miteinander vereint: Einen "vernünftigen Schutz vor Missbrauch" und Nutzungsfreiheit für den Verbraucher. Dafür müssten allerdings verschiedene Gruppen an einem Strang ziehen. Glicksman betonte, die Filmstudios seien dazu bereit und forderte die Vertreter aus den Branchen Unterhaltungselektronik und IT auf, sich an den Tisch zu setzen. "Wir setzen uns dafür ein, die Interoperabilität Wirklichkeit werden zu lassen". Interoperabilität und DRM seien miteinander vereinbar, wenn alle beteiligten Industrien es wirklich wollten.
Der Kunde müsse legal erworbene Filme in seinem technischen Umfeld schrankenfrei nutzen können, findet Glicksman. "Wir glauben, dass Verbraucher, die sich ihre Inhalte legal besorgen, diese auch auf jedem Gerät nutzen können müssen" – ob damit auch der Regionalcode in Frage gestellt wird, hat die MPAA kurzfristig nicht beantworten können. Mit neuen HD-DVDs soll die neue Kopierfreiheit schon in diesem Jahr möglich werden. Die Entwicklung eines allgemeinen Standard werde dagegen wohl noch etwas dauern. Doch sei das Ziel klar: Am Ende müsse der Verbraucher in der Lage sein, einen legal gekauften Film in seinem eigenen Computer-Netzwerk oder auf tragbare Player kopieren können. Nicht alle in der Filmbranche werden davon begeistert sein. Doch Glicksman plädiert für eine neue Sichtweise. Neue Techniken eröffnen der Industrie zahlreiche neue Kanäle, auf denen ihre Produkte zum Kunden gebracht werden könnten: Diese gelte es sinnvoll zu nutzen.
Glicksman folgt damit zwar nicht dem Beispiel der Musikindustrie, die erste Versuche ganz ohne DRM unternimmt. Dennoch sind die Äußerungen des MPAA-Chefs, der sich zum ersten Mal öffentlich zu diesem Thema äußerte, ein bemerkenswerter Perspektivwechsel. Bisher hat sich die Filmindustrie eher dadurch hervorgetan, ihre zahlende Kundschaft mit mehr oder weniger zweifelhaften Aufklärungskampagnen auf dem schmalen Pfad der Tugend einzuschwören und neue Techniken – vor allem der Online-Verbreitung – mit allen Mitteln aus Rechtsabteilung und PR zu bekämpfen. Vielleicht sind die Zeiten, in denen der MPAA-Chef vorwiegend mit dem Säbel rasselt, mit dem Abtritt von Glicksmans Vorgänger Jack Valenti zu Ende gegangen. Valenti hatte 1982 die Meinung der Filmindustrie zu einer neuen Technik vor dem US-Kongress so zusammengefasst: "Ich sage Ihnen, der Videorecorder bedeutet für die Filmindustrie und die amerikanische Öffentlichkeit das gleiche wie der Würger von Boston für eine Frau, die alleine im Haus ist." (vbr)