Vergabe von IPv6- und IPv4-Adressen beschäftigt Internet Governance Forum

Auch die Zuteilung neuer Adresszonen im DNS müsse auf dem von der UN eingesetzten Beratergremium zu Fragen der Internet-Kontrolle diskutiert werden. Die Oberaufsicht der USA über das DNS ist einigen Ländern weiter ein Dorn im Auge.

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Von
  • Monika Ermert

Die Vergabepolitik von IPv4-Adressen in der Vergangenheit ist mit dafür verantwortlich, dass Adressen besonders in den Entwicklungsländern knapp sind. Die künftige Vergabepolitik für IPv6-Adressen müsse daher beim geplanten zweiten Treffen des Internet Governance Forum (IGF) auf die Agenda, forderte ein Vertreter der chinesischen Regierung bei einem in Genf stattfindenden Vorbereitungstreffen fürs IGF im Herbst in Rio de Janeiro.

Auch die Zuteilung neuer Adresszonen müsse dort diskutiert werden, fordert der chinesische Vertreter. China, Gastgeber Brasilien und eine ganze Reihe weiterer Schwellenländer haben gegen den Wunsch der USA durchgesetzt, dass das Thema kritische Internetressourcen erstmals prominent auf die Tagesordnung des IGF gesetzt wird. Das Hickhack um die Sonderrolle der US-Regierung bei der Aufsicht über die Kernrressource Domain Name System (DNS) war einer der Hauptgründe für die Einrichtung des IGF durch den UN-Weltgipfel der Informationsgesellschaft in Tunis.

Der Europarat erinnerte ebenfalls in einer schriftlichen Stellungnahme (PDF-Datei) zu dem Thema daran, dass ICANN de facto im Auftrag der internationalen Gemeinschaft handele, letztlich also als Agent der einzelnen Regierungen oder anderer Interessenvertreter der Internetgemeinde: "Wenn dieses Ordnungsmodell weiterbesteht, müssen Regierungen institutionell sicherstellen, dass ICANN höchsten Ansprüchen genügt. Denn nur so können Regierungen vermeiden, dass sie für vermeidbare Fehler zur Verantwortung gezogen werden."

Der erfolgreiche Start des IGF im vergangenen Jahr und die hartnäckigen Nachfragen der Kritiker zu der einseitigen US-Rolle hat die Organisatoren, allen voran Nitin Desai, Sonderberater Internet Governance des UN-Generalsekretärs, und den Schweizer Diplomaten und IGF-Sekretariatschef Marcus Kummer veranlaßt, das Thema neu anzugehen. Die für die IP-Adressverteilung zuständigen Regionalen Internet Registries (RIRs) mahnten kürzlich ohnehin, dass auch die Regierungen den reibungslosen Systemwechsel von IPv4- auf IPv6-Adressen fördern sollten. Die RIR-Dachorganisation Number Resource Organisation (NRO) hat für das IGF-Treffen daher auch einen Workshop zum Übergang zu IPv6 angekündigt.

Raul Echeberria vom LACNIC, das die IP-Adressen für Lateinamerika vergibt, empfahl allerdings auch, dass Entscheidungen zum Übergang und zur Vergabepolitik dort zu diskutieren seien, wo Nutzerschaft und RIR-Fachleute dies bereits tun. Die RIRs haben bereits eine breite Diskussion zur Vergabepolitik gestartet und überlegen insbesondere, wie die letzten IPv4-Adressen zugeteilt werden sollen. Die Treffen der RIRs und die Mailinglisten seien offen. Regierungen hätten zudem die Möglichkeit, sich über den Regierungsbeitrat der ICANN einzubringen, die eine von allen RIRs vereinbarte Politik ebenfalls noch begutachteten. Mancher könne dabei denken, dass das IGF entwertet werde, da es keine formalen Empfehlungen oder Beschlüsse fasse. Diejenigen, die im Geschäft seien, wüssten aber, dass Regierungen, Industrie, Nutzer und Fachleute inzwischen in einem Maße zusammenarbeiteten, "wie wir es nie zuvor gemacht haben".

Die Frage, welches Abschlussdokument das IGF produzieren soll, gehört zu den kniffligeren institutionellen Fragen. Zahlreiche Teilnehmer könnten immerhin mit einem "Bericht des Vorsitzenden" leben. Formelle Empfehlungen, wie sie Teile der Nichtregierungsorganisationen gerne sähen, stoßen aber auf den Widerstand, etwa der Vereinigten Staaten. Auch die Frage, wie das IGF künftig institutionell aufgestellt sein soll und welche Rolle der vom neuen UN-Generalsekretär gerade noch einmal bestätigten Beratergruppe zukommen soll, wird ebenfalls noch kontrovers diskutiert. (Monika Ermert) / (jk)