6 Minuten vor 12 auf der Überwachungsuhr

Die US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU warnt vor dem schnell sich nähernden Beginn der Überwachungs- oder Präventionsgesellschaft.

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Von
  • Florian Rötzer

1947 hat das 1945 nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki gegründete Bulletin of the Atomic Scientists erstmals die Doomsday Clock, die Weltuntergangsuhr, auf das Titelblatt der Zeitschrift gesetzt. Die Uhr sollte für jeden anschaulich das Risiko darstellen, das durch die atomare Aufrüstung für die Menschheit besteht. Damals stellten die Wissenschaftler sie auf sieben Minuten vor Mitternacht, also schon kurz vor das Ende. 1991 war nach ihnen das sicherste Jahr. Nach dem Ende des Kalten Krieges stand die Uhr auf 17 Minuten vor 12. Dann näherte sie sich wieder dem Stand des Kalten Kriegs und steht nun auf 5 vor 12.

Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) hat nun diese Weltuntergangsuhr übernommen, um zu veranschaulichen, wie kurz die USA vor dem Beginn der Überwachungsgesellschaft stehen. Nach Einschätzung der Organisation steht die Surveillance Society Clock auf 6 vor 12. Die USA näherten sich schnell einer "genuinen Überwachungsgesellschaft" an, wie die Organisation in dem gleichzeitig veröffentlichten Bericht Even Bigger, Even Weaker darzulegen und mit einem künstlerischen Video (Monster Among Us) eingängig zu machen versucht.

"Wir nähern uns schnell einer Zukunft, in der jeder Schritt, jede Transaktion, unsere gesamte Kommunikation verfolgt wird und gegen uns gewendet werden kann", meinte Barry Steinhardt von der ACLU. "Zu oft geht das große Bild im Strom der täglichen Geschichten über die Privatsphäre verloren. Die Überwachungsuhr ist ein Teil unserer Bemühungen, den Blick der Menschen auf das große Bild zu richten und zu veranschaulichen, was mit Amerika geschieht."

Indizien werden von der ACLU viele für das genannt, was sich immer schneller zusammenbraut: Verdachtsunabhängige massenhafte Überwachung, Data Mining, überquellende Terrorlisten oder die Risikoeinstufung von Personen, die Abhöraktion der NSA und die Überwachung der Finanztransaktionen durch die CIA, DNA-Datenbanken, die Datengier der Suchmaschinen und überhaupt der Privatwirtschaft, die "dritte Welle" der Videoüberwachung, also die Verbindung von privaten und staatlichen digitalen Überwachungskameras zu umfassenden Netzwerken, Lokalisierungstechniken, biometrische Identifikation oder RFID-Chips. Gleichzeitig wurden nach dem 11.9. die Kontrollen und Beschränkungen der Überwachung immer weiter im Rahmen der präventiven Sicherheit aufgeweicht, in dem jeder prinzipiell erst einmal verdächtig ist und die Unschuldsvermutung des "alten" Rechtsstaats" an Bedeutung verliert.

"Die falsche Sicherheit einer Überwachungsgesellschaft droht", heißt es im ACLU-Bericht, "unser Land in einen Ort zu verwandeln, in dem die Menschen ständig damit rechnen müssen, durch Datenfehler oder falsche Interpretationen, durch illegale Verwendung von Informationen seitens böswilliger Regierungsangestellten, durch Missbrauch seitens Politikern oder, was vielleicht am heimtückischsten ist, durch die Erweiterung der legalen Verwendung von Informationen für alle möglichen neuen Zwecke in eine Falle zu geraten." Die Überwachungsuhr soll regelmäßig neu gestellt werden, wenn sich Verbesserungen oder weitere Verschlechterungen ergeben. Noch sei es nicht zu spät, versichert die ACLU. (fr)