Streitbare EU-Kommissarin legt sich wieder mit Telecom-Konzernen an
EU-Medienkommissarin Viviane Reding will für mehr Konkurrenz sorgen, notfalls mit neuen Gesetzen. Nur das führt nach Meinung der streitbaren Luxemburgerin zu niedrigeren Preisen, auch für schnelle Internetverbindungen.
Brüssel zeigt sich gerne als Hüter des Wettbewerbs und Schutzpatron der Verbraucher. Das gilt auch für die europäischen Telekom-Märkte. EU-Medienkommissarin Viviane Reding will für mehr Konkurrenz sorgen, notfalls mit neuen Gesetzen. Nur das führt nach Meinung der streitbaren Luxemburgerin zu niedrigeren Preisen, auch für schnelle Internetverbindungen. Sie erwägt eine EU-Regulierungsbehörde und eine Aufteilung großer Konzerne in Netz-Betreiber und Dienste-Anbieter. Die Unternehmen sollen zwar die Kontrolle über die Netze abgeben, jedoch Eigentümer bleiben. Reding will am 13. November ihre Pläne vorstellen. Doch der Widerstand wächst – in der Branche, den EU-Staaten und der Kommission selbst.
Industriekommissar Günter Verheugen und Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes befürchten, dass lediglich mehr Bürokratie und eine teure Behörde entstünden. Von einem Streit will man indes nichts wissen. Offiziell ist von einer laufenden Debatte in der EU-Behörde die Rede. Das sei völlig normal. Einigkeit besteht offensichtlich ob des Handlungsbedarfs und der Bedeutung des Themas. Auch die Niederländerin Kroes hält den Wettbewerb in der Branche nicht für perfekt. Erst im vergangenen Juli verdonnerte sie den spanischen Telefonkonzern Telefonica zu einem Bußgeld von 151,9 Millionen Euro, weil er beim Weiterkauf schneller Internetverbindungen zu viel Geld von Konkurrenten kassierte. "In Spanien ist ein Breitbandanschluss um ein Fünftel teurer als im Schnitt der 15 alten EU-Länder", stellte Kroes fest. Eine Sprecherin der Kommission nennt nun die diskutierten Pläne der resoluten Luxemburgerin Reding einen "Meilenstein der Binnenmarktreform".
Von einem entscheidenden Detail – einer EU-Regulierungsbehörde – halten Deutschland und fünf weitere Mitgliedstaaten wenig. In einem gemeinsamen Brief, den auch Frankreich, Großbritannien, Spanien, Schweden und Luxemburg unterzeichneten, heißt es, einen Anlass zu einer "institutionellen Reform" gebe es nicht. Vielmehr müssten Möglichkeiten bestehender Behörden voll ausgeschöpft werden. Auf Kritik an den Plänen antwortet Reding, nationale Regulierungsbehörden in den 27 EU-Staaten arbeiteten unterschiedlich effektiv und seien zudem nicht alle unabhängig. Grundsätzlich sollte nur dort gesetzlich eingegriffen werden, wo wirkungsvoller Wettbewerb fehle. In einigen Bereichen des Marktes sehe man sogar ein Ende der Regulierung vor. Die Breitbandnetze, von denen sich Anbieter die größten Umsätze versprechen, sind freilich nicht darunter.
Gegen Regulierungen aller Art stemmt sich der Verband europäischer Telekom-Anbieter (ETNO), der unter seinem Dach Ex-Monopolisten wie die Deutsche Telekom oder France Telecom vereint. Eine bei der London School of Business und der Beraterfirma LECG in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Schluss, dass Regulierungen Investitionen in neue Technologien hemmen. Kurzfristig würden zwar Preise sinken, langfristig fiele Europa im weltweiten Vergleich zurück. Schon eine Preissenkung um zehn Prozent in lokalen Netzen, so rechnet Studienleiter Len Waverman vor, führe in Europa zu einem Rückgang der Investitionen um zwölf Milliarden Euro. Der gesamtwirtschaftliche Schaden belaufe sich gar auf 30 Milliarden Euro. Der Anreiz sei gering, Geld in Netze zu stecken, um sie mit Konkurrenten zu teilen.
Solchen Gegenwind ist die Christdemokratin Reding gewohnt. Bisher wusste sie sich durchzusetzen. Im Sommer brachte sie eine drastische Preissenkung für das Telefonieren mit dem Handy im Ausland auf den Weg. Im Sommer reichte die frühere Journalistin zudem eine Klage wegen des deutschen Telekom-Gesetzes vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Das umstrittene Gesetz sieht vor, das VDSL-Netz der Deutschen Telekom über Jahre von der Überwachung durch die Wettbewerbshüter auszuschließen und dem früheren Staatskonzern damit "Regulierungsferien" einzuräumen.
Rückenwind bekommt die Kommissarin vom Verband alternativer Telekommunikationsanbieter (ECTA). Er bezeichnet die Entflechtung der Märkte als "effektiven Weg zur Belebung des Wettbewerbs". Auch eine Trennung in Netz-Betreiber und Dienste-Anbieter sei erstrebenswert. Mit bedrohlichen Milliardenbeträgen wirft auch die ECTA um sich: Noch sei die Regulierung zu schwach, dadurch verlören die 15 führenden Wirtschaftsnationen Europas 16 Milliarden Euro an Investitionen. (Christian Schultz, dpa) / (jk)