Studie: Massenhafter RFID-Einsatz könnte Recycling verschlechtern
Wenn der RFID-Markt weiter wie bisher wächst, werden Einweg-Transponder bereits in wenigen Jahren ernsthafte Schwierigkeiten bei der Entsorgung machen, warnt das Fachgebiet Logistik der Universität Dortmund.
Die Verbreitung der RFID-Technik bringt nicht nur immer wieder potenzielle Datenschutzprobleme mit sich – der zunehmende Einsatz von Wegwerf-Labeln könnte ohne eine Anpassung der Entsorgungstechniken auch zu Umwelt- und Ressourcenproblemen führen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie (PDF-Datei) des Fachgebiets Logistik der Universität Dortmund (FLog), die innerhalb des Rahmenprogramms Mikrosysteme 2004–2009 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert worden ist. Die Erforschung, wie sich die RFID-Technik nutzen lässt und welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind, gehört seit längerem zu den Schwerpunktthemen des FLog.
Die stark geförderte RFID-Technik wird seit Jahren als Wegbereiter für die Ausstattung aller Alltagsgegenstände mit Elektronik gesehen. In den EU-15-Staaten hatte der RFID-Markt mit Hardware, Software und Services nach einer Untersuchung der Deutschen Bank im Jahr 2006 ein Umsatzvolumen von 1,3 Milliarden Euro, das bei einer Wachstumsrate von 47 Prozent auf 10 Mrd. Euro im Jahr 2010 ansteigen soll. Bei der jetzt veröffentlichten Studie konzentrierte sich die von Professor Rolf Jansen geleitete Arbeitsgruppe auf die Frage, welche Auswirkungen der massenhafte RFID-Einsatz in Form von Smart Labels auf die Rohstoffressourcen sowie auf Recycling und Abfallbeseitigung haben würde. Im Zentrum standen dabei die von den Forschern als Zugmotor bezeichneten Bereiche Automobilindustrie, Handel und Ticketing, die den Einsatz preiswerter passiver Transponder zur per Funk auslesbaren Kennzeichnung besonders intensiv vorantreiben. Generell soll die RFID-Technik Fälschungen verhindern und eine noch weitergehende Automatisierung ermöglichen: In Industrie und Handel soll so jedes Einzelteil über seinen gesamten Lebensweg automatisch identifizierbar sein, während Funktickets insbesondere bei Veranstaltungen und im öffentlichen Verkehr die Zugangskontrollen automatisieren sollen.
Die Studie betrachtet die Auswirkungen des Smart-Label-Einsatzes im Jahr 2011 auf die Entsorgung jeweils für ein "High-Tech-Szenario" mit einer schnellen Ausbreitung auch im Verbraucherbereich und für ein "konservatives Szenario" mit einem gleichmäßigen Wachstum vorrangig in unternehmensinternen Bereichen. Sie versucht außerdem zu berücksichtigen, wie sich neue, noch nicht etablierte Technologien auswirken würden. Für das High-Tech-Szenario im Handel erwartet das FLog beispielsweise, dass 2011 zehn Prozent der Verpackungen getaggt sind, sodass allein aus diesem Bereich rund 15 Milliarden Transponder unterschiedlicher Bauweise mit insgesamt rund 1900 Tonnen Kupfer, 570 Tonnen Aluminium und 2200 Tonnen Silberleitpaste zu Abfall würden. Für das konservative Szenario erwarten sie dagegen nur eine RFID-Kennzeichnung bei teureren Produkten, die maximal drei Prozent der Verpackungen ausmacht.
Welche Ideen die geplante Richtlinie ISO-IEC CD TR 24729-2 für ein Recycling dieser und anderer RFID-Transponder entwickeln wird, sei derzeit noch unklar. So widerspricht eine getrennte Sammlung der als Verbundmaterial vergleichsweise aufwendig zu recycelnden RFID-Tags eigentlich dem Ziel, diese so billig wie irgend möglich zu machen, damit sie möglichst für jeden beliebigen Zweck wirtschaftlich einsetzbar sind. Noch sei das bisher übliche gemeinsame Recycling der Tags mit Produkten oder Verpackungen kein Problem. Bei den in einigen Jahren zu erwartenden Mengen könnten aber nicht nur manche Sortierprozesse versagen und Anlagen geschädigt werden, sondern die RFID-Antennen würden auch den Metallanteil in manchen Recyclingmaterialien so weit erhöhen, dass dessen Qualität verschlechtert und ein getrenntes Recycling notwendig wird.
Die FLog-Studie geht davon aus, dass sich trotz der winzigen Menge von 50 bis 150 mg pro Antenne ein Recycling zumindest dann lohnen könnte, wenn man für die Herstellung der RFID-Antennen zukünftig vor allem Silberleitpasten verwenden würde – wofür es aber noch kein marktreifes Verfahren gebe. Ein solches wäre zwar sehr interessant, weil auf absehbare Zeit nur so druckbare Antennen herstellbar wären, denn gedruckte Polymerschaltkreise könnten vorläufig höchstens den Transponderchip ersetzen. Das Problem des Metalleintrags in Recyclingmaterialien wäre damit allerdings noch nicht gelöst. Und angesichts der bereits bestehenden Silberknappheit dürfte dies auch noch dessen Rohstoffpreis weiter hochtreiben, was die wirtschaftlichen Vorteile eines Druckverfahrens endgültig wieder zunichte machen könnte.
Diese Erkenntnisse hätten sich aber noch lange nicht breit durchgesetzt. Bisher seien die Vorstellungen vieler RFID-Anwender noch von den Erfahrungen mit den im Recycling unproblematischeren Mehrwegtranspondern geprägt. Nach Ansicht des FLog ist hier ein Umdenken dringend notwendig. Damit die RFID-Technik wirklich massentauglich werde, empfiehlt es, so weit wie möglich bevorzugt Aluminium als Antennenmaterial einzusetzen, Transponder, wo immer möglich, mehrfach zu verwenden und die Entwicklung einfach getrennt sammelbarer Tags zu intensivieren. (anm)