Neue Top500-Liste der Supercomputer: Deutschland holt kräftig auf

Die USA sind an der Supercomputer-Spitze nicht mehr unter sich - in der 30. Rangliste der Höchstleistungsrechner mischen Deutschland, Indien und Schweden ganz oben mit.

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Von
  • Andreas Stiller

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Der Vorsprung der USA gegenüber dem Rest der Welt wird kleiner. [Anklicken für größere Ansicht] Vergrößern

Vor allem dank des nunmehr schnellsten, zivilen Supercomputers der Welt im Forschungszentrum Jülich konnten die deutschen Höchstleistungsrechner ihre Position in der jetzt anlässlich der Supercomputerkonferenz SC07 in Reno (Nevada) veröffentlichten Top500-List der Supercomputer kräftig ausbauen. Gemessen an installierter Linpack-Rechenleistung vermochten sie mit 536 TFlop/s die Leistung der in der Liste platzierten Systeme gegenüber der letzten Rangfolge im Juni dieses Jahres mehr als verdoppeln, womit sie Großbritannien (512 TFlop/s) überholen und nun hinter den USA (4.178 TFlop/s) Platz zwei einnehmen konnten. Platz vier in der Nationenwertung belegt Japan (291 TFlop/s) vor Frankreich (223 TFlop/s) und Indien (194 TFlops/s).

Die Briten haben allerdings mit 48 weit mehr Systeme in den Charts als die Deutschen mit 31, vor Japan (20) und Frankreich (17). In den USA steht fast die Hälfte aller Supercomputer der Liste (248 von 500). Die Volksrepublik China ist mit nur zehn Systemen (86 TFlop/s) wieder etwas stärker zurückgefallen und liegt jetzt hinter Taiwan (11 Systeme). Sechs der Festland-chinesischen Systeme sind übrigens baugleiche HP-Blade-Cluster aus dem Bereich "Gaming Company".

Will man die installierte Supercomputerleistung als Maßstab für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen einer Volkswirtschaft werten, sollte man sie jedoch mit dem nationalen Bruttoeinkommen (BNE) gewichten. In diesem Licht ist jetzt Schweden klarer Spitzenreiter vor den Vereinigten Staaten, gefolgt von Taiwan, Luxemburg und Indien. Unter diesem Aspekt liegt dann auch wieder Großbritannien mit 211 Flop/s pro US-Dollar vor Deutschland mit 177 Flop/s pro US-Dollar.

In die Top Ten der Liste konnten sich seit Juni gleich fünf neue Systeme einbringen. Neben dem Jülicher Shooting Star brachen auch zwei große HP-Xeon-Cluster in Indien (Platz 4) und Schweden (Platz 5) in die amerikanische Phalanx ein, die im Juni 2007 noch alle ersten sieben Plätze belegen konnte. Ganz vorne ist allerdings weiterhin unangetastet der überwiegend für militärische Forschung genutzte BlueGene/L-Rechner der Lawrence Livermoore National Labs, der nochmal kräftig um 70 Prozent auf nunmehr 212.992 Prozessoren mit insgesamt 478,2 TFlops/s aufgerüstet wurde.

In dieser Performance-Region hatte man eigentlich auch den Ranger der Universität Texas TACC erwartet, der mit seinen 15.747 Quadcore-Opteron Kernen (2 GHz) auf über 500 TFlop/s Spitzenleistung kommen soll – dank Barcelona-Kern jetzt mit theoretisch vier Gleitkommaoperationen pro Takt, so wie der Intel Xeon auch. In echter Linpack-Rechenleistung wird er auf rund 300 TFlop/s taxiert. Aber das Rechenzentrum der texanischen Universität hat keine Ergebnisse vorab vermeldet. Es teilte aber auf Anfrage mit, dass der Rechner im Zeitplan liege und am 1. Dezember den offiziellen Betrieb aufnehmen soll. Aber man hört allenthalben von Prozessor-Lieferproblemen. IBM musste deshalb schon einige SPEC-Ergebnisse zurückziehen – mangels Lieferbarkeit des Systems. In der jetzigen Top500-Liste ist somit nur ein einziges System mit AMD Quad-Core-Opteron zu finden (von Koi Computers auf Platz 95), das sich auf 1,9 GHz Takt beschränkt.

Intel konnte ohne Barcelona-Konkurrenz daher seinen Vormarsch fortsetzen und seine Dominanz von 289 Systemen im Juni auf 354 Systeme ausbauen, überwiegend auf Basis der Dual- und Quadcore-Xeons. AMDs Opteron-Anteil ging von 117 auf 79 Systemen zurück. Die Rolle des eigentlichen Flaggschiffes von Intel, des Itaniums, wird aber mit nunmehr 19 platzierten Systemen immer unbedeutender (28 waren es im Juni, 35 vor einem Jahr). Das schnellste Itanium-System steht im Übrigen in Garching bei München im Leibniz-Rechenzentrum, mit 56,5 TFlop/s und auf Platz 15.

Der Anteil der Rechner mit IBMs Power-Architektur nimmt ebenfalls ab (61 Systeme gegenüber 85 im Juni). Dank insgesamt 177 x86-Systemen mit Opteron und Xeon (vor allem Blades) ist IBM mit 232 Systemen dennoch weiterhin klar die Nummer 1 bei den Herstellern, HP folgt auf Platz zwei mit 166. Weit dahinter folgen Dell und SGI, beide knapp unter der 5-Prozent-Marke. Während HP aber im Juni nur mit kleineren und mittelstarken Systemen vertreten war, hat es sich jetzt auch in den "stark gesponserten" Top-Bereich mit zwei Höchstleistungssystemen etabliert.

Erheblichen Zuwachs kann auch Microsoft für den Windows Compute Cluster Server 2003 verbuchen, wobei sich die absoluten Zahlen allerdings weiterhin im Rahmen halten: Sechs statt zuvor zwei Supercomputer der Liste laufen unter Windows. Fünf davon sind IBM-BladeCenter, das sechste, ein Cluster mit Dell PowerEdge 1955 mit geruhsamen 1,86-GHz-Clovertowns, steht bei Microsofts HPC Group. Neu eingestellte Experten mit hohem Renommee bei Universitäten und Forschungseinrichtungen sollen helfen, hier weiteren Schwung hinein zu bekommen.

Insgesamt stieg die Gesamt-Rechenleistung der in der Top500-Liste aufgeführten Supercomputer um 41 Prozent auf nahezu 7 PFlop/s. Rund 40 Prozent – das ist seit Beginn der Top500-Liste im Juni 1993 auch der Mittelwert der Steigerungen pro Halbjahr. Verglichen mit dem normalen Mooreschen Gesetz – Verdopplung alle zwei Jahre – ist die Rate bei den Supercomputern beinahe doppelt so hoch. Noch etwas stärker als die Gesamtleistung stieg sogar die nötige Mindestleistung, um überhaupt auf die Liste zu kommen, nämlich um 47 Prozent von 4,0 auf 5,9 TFlop/s.

Die Top 10 der 30. Top500-Liste der Supercomputer

Platz Rechner (Hersteller) Betreiber Land Platz im
Juni 2007
Prozessoren (Cores) Rmax [TFlop/s]
1 eServer BlueGene (IBM) DOE/NNSA/LLNL USA 1 212992 PowerPC440, 700 MHz 478,2
2 JUGENE Forschungszentrum Jülich Deutschland - 65536 PowerPC450 850 MHz 167,3
3 SGI Altix ICE8200 SGI/New Mexico Computing. USA - 14336 Xeon Clovertown 3 GHz 126,9
4 HP Cluster Platform 3000 BL460c Computational Research Labs Indien - 14240 Xeon Clovertown, 2,66 GHz 117,9
5 HP Cluster Platform 3000 BL460c Goverment Agency Schweden - 13728 Xeon Clovertown, 2,66 GHz 102,8
6 Red Storm (Cray) Sandia National Labs USA 3 26569 DC-Opteron, 2,4 GHz 102,2
7 Jaguar (Cray XT4/XT3) Oak Ridge National Lab USA 2 23016 DC-Opteron, 2,6 GHz 101,7
8 eServer BlueGene (IBM) IBM, Thomas Watson USA 4 40960 PowerPC440, 700 MHz 91,3
9 Cray XT4 NERSC/LBNL USA - 19320 DC-Opteron, 2,4 GHz 85,4
10 eServer BlueGene (IBM) Stony Brook,BNL USA 5 36864 PowerPC440, 700 MHz 82,2