ARD und ZDF lehnen Verschlüsselungspläne der Privaten ab

Die vom Satellitenbetreiber SES-Astra geplante Grundverschlüsselung von Free-TV-Sendern sei "Etikettenschwindel". In Wahrheit wollten die Privaten den Boden für Pay-Programme und Medienkonzentration bereiten.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Der Vorsitzende der ARD, Thomas Gruber und ZDF-Intendant Markus Schächter haben heute der Rundfunkkommission der Länder, vertreten durch deren Vorsitzenden, den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten und SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, ein Positionspapier übermittelt, in dem sie der geplanten und so genannten "Grundverschlüsselung" durch den Satelliten-Betreiber SES-Astra eine deutliche Absage erteilen.

SES-Astra hatte im Frühjahr – im Verein mit den kommerziellen TV-Anbietern der RTL-Group sowie der Sendergruppe ProSiebenSat.1angekündigt, ab dem nächsten Jahr deren Programme nur noch "grundverschlüsselt" digital per Satellit auszustrahlen. SES Astra verbreitet über 13 Satelliten mehr als 1600 digitale und analoge TV- und Radioprogramme. Privatsender sollen künftig ihre werbefinanzierten TV-Programme ("Free-TV" mit Unterbrecherwerbung à la RTL und Sat1) verschlüsseln können. Mit den zusätzlichen Einnahmen soll nach dem Willen von SES-Astra und der Privatsender der Aufbau neuer interaktiver Anwendungen und die Verbreitung des hochauflösenden Fernsehens HDTV finanziert werden. Die Verschlüsselungspläne haben allerdings das Bundeskartellamt auf den Plan gerufen, das Ermittlungen gegen die Privatsender und Astra eingeleitet hat.

Mit ihrer Stellungnahme an die Rundfunkkommission der Länder wollen ARD und ZDF die Grundverschlüsselung als "Etikettenschwindel" entlarven: Letztlich, urteilen ARD-Chef und ZDF-Intendant, gehe es um nichts anderes als den Einstieg in weitreichende Pay-TV-Angebote vorzubereiten und mit Triple-Play-Geschäftsmodellen die Konzentration auf dem Medien- und Telecom-Markt noch zu beschleunigen. Damit werde der von allen gewünschten Digitalisierung des Fernsehens in Deutschland jedoch ein schlechter Dienst erwiesen. Zugleich fordern die Anstaltsleiter, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiterhin für jedermann frei und ohne zusätzlichen wirtschaftlichen oder technischen Aufwand empfangbar sein müsse. Die Programme der gebührenfinanzierten Sendeanstalten dürften weder auf eine verschlüsselte Verbreitung noch auf Verbreitungswege abseits der Satellitenausstrahlung durch Astra abgeschoben werden.

Mit der Einführung einer Grundverschlüsselung drohe eine "digitale Spaltung" der Bevölkerung, fürchten die Öffentlich-Rechtlichen. Eine Adressierbarkeit von Endgeräten werfe erhebliche datenschutzrechtliche Risiken auf. Während die Adressierung einzelner Geräte aus Sicht der Öffentlich-Rechtlichen in "Überwachung" des Konsumentenverhaltens ausufern könnte, hoffen Privatsender auf höhere Werbeieinnahmen, wenn sie die Möglichkeit erhalten, zielgruppenspezifische Werbung zu schalten. Wegen der hohen Streuverluste im herkömmlichen Free-TV haben die Privatsender seit Langem mit sinkenden Werbeerlösen zu kämpfen.

Die Grundverschlüsselung bürde jedem Zuschauer die Kosten einer für die Nutzung von Pay-TV-Angeboten notwendigen Infrastruktur zwangsweise auf, kritisieren die Vertreter von ARD und ZDF. Auch auf dem Medienforum NRW im Mai war eine mögliche "Doppelgebühr" für aus GEZ-Gebühren und die noch unbekannten Kosten für die Satellitenübertragung ein Thema: "Mit der Digitalisierung steht unser duales Rundfunksystem vor der größten Herausforderung seiner Geschichte", hatte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers auf dem Forum erklärt. Den Wunsch der Anbieter, "die übertragenen Inhalte zu verschlüsseln und sich die Entschlüsselung bezahlen zu lassen", hält der CDU-Politiker zwar für "berechtigt" – die Gebührenzahler dürften aber nicht gezwungen werden, aufgrund der Verschlüsselung eine "Doppelgebühr" zu bezahlen.

Wie die Rundfunkpolitiker der Länder sich in dem Interessenkonflikt entscheiden, ist offen: Zum einen sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten mehr oder weniger stark von Verflechtungen zur jeweiligen Landesexekutive geprägt, zum anderen wetteiferten die "Länderfürsten" seit der Einführung des privaten Fernsehens in den 1980er-Jahren, ihre Heimatregion zur Medienmetropole Nummer eins aufzubauen. Ein Musterbeispiel für das schwierige Verhältnis zwischen föderaler Medienregulierung und der Etablierung neuer Technologien liefert das "Handy-TV", dessen pünktlicher Start zur Fußball-WM – bedingt durch ein komplexes Lizenzierungsverfahren und einen Streit um Standards – in Frage stand. (ssu)