Abschnittskontrolle gegen Temposünder: Datenschützer sagen Jein

Das Pilotprojekt der Abschnittskontrolle auf Niedersachsens Straßen kann starten, wenn die Polizei datenschutzrechtliche Auflagen erfüllt. Für den Echtbetrieb gibt es derzeit noch keine rechtliche Grundlage.

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Von
  • Detlef Borchers

Die vom niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) angekündigte Abschnittskontrolle gegen Raser auf einer außerörtlichen Strecke ist noch nicht in trockenen Tüchern. Die zuständigen Landes-Datenschützer haben zwar das Verfahren als Pilotprojekt "materiell-rechtlich" genehmigt, doch die eigentliche Prüfung der Technik steht noch aus.

Das auf 18 Monate angelegte Pilotprojekt einer Abschnittskontrolle auf Niedersachsens Landstraßen wurde von den Datenschützern noch nicht uneingeschränkt genehmigt. Michael Knaps, Pressesprecher des Landesbeauftragten für den Datenschutz gegenüber heise online formulierte, gibt es eine "materiell-rechtliche" allgemeine Genehmigung. Was fehlt, ist die technische Genehmigung des Gesamtkonzeptes, in der Detailfragen vom Beantragenden, der niedersächsischen Polizei, beantwortet werden müssen. Sind Hard- und Software gehärtet? Wie ist die Funkübertragung zwischen den einzelnen Kameras verschlüsselt und gesichert? Können die Daten korrekt fahrender Verkehrsteilnehmer rückstandsfrei gelöscht werden?

Und so funktioniert die Kontrolle.

(Bild: Gatso)

Bislang haben Innenministerium und Polizei den Datenschützern nur einen Verkaufsprospekt des ausgewählten Herstellers geschickt, der nicht dafür geeignet ist, diese Fragen zu überprüfen. Dafür muss das Verfahren detailliert beschrieben werden, wobei "auch ein technisch-organisatorisches Konzept mit Aussagen zu allen Schutzmaßnahmen und Verschlüsselungsfragen" geschildert werden muss, wie Knaps erklärte.

Anders als zunächst von uns gemeldet liefert nicht Vitronic, sondern Gatso die Technik für die Abschnittskontrolle. Gatso ist eine niederländische Firma, die von dem Rennfahrer Maus Gatsonides gegründet wurde und die ersten "Blitzer" unter dem Namen Gatsometer verkaufte.

Die deutsche Niederlassung schickte heise online den Verkaufsprospekt als PDF, der auch den Datenschützern vorliegt, aber nicht unter den Downloads der Prospekte erhältlich ist. Danach besteht das System aus zwei Kameras, die jeweils das Heck aller Fahrzeuge auf einer Abschnittskontrolle erfassen und mit einem Zeitstempel versehen abspeichern. Ergibt sich aus der Zeit/Weg-Berechnung, dass ein Verkehrsteilnehmer den Abschnitt zu schnell durchfahren hat, misst ein Sensor an der zweiten Heckkamera die Geschwindigkeit des Fahrzeugs und übermittelt die Daten an eine dritte Kamera, die das Fahrzeug optimal frontal mit 11 Megapixeln fotografiert. Anschließend werden KFZ-Kennzeichen wie das Bild des Fahrers extrahiert. Ist dies nicht möglich – etwa bei Motorrädern – muss auf die Heckkameras zurückgegriffen werden. Im Abschnitt "Datenschutz" der Verkaufsbroschüre heißt es dazu:

"Im Anschluss wird aus jeder Heckaufnahme mittels einer Lesesoftware eine fahrzeugindividuelle 'Pixelwolke' erstellt und mit einem nichtzugänglichen Anlagenschlüssel (identisch in der Ein- und Ausfahrtkamera) verschlüsselt. Somit wird nur eine Fahrzeug-ID (einschließlich Zeitstempel und Dateiname) zur zentralen Anlagensteuerung übermittelt. Aus der Fahrzeug-ID können keine Rückschlüsse auf das amtliche Kennzeichen gezogen werden. Durch die Heckaufnahmen im Infrarot-Bereich ist darüber hinaus gewährleistet, dass ein Erkennen der Fahrzeuginsassen ausgeschlossen ist. Ein Zugriff auf diese Aufnahmen ist nur im Falle des Vorliegens einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch die zentrale Anlagensteuerung möglich."

Wer versucht, diese zentrale Anlagensteuerung zu knacken, soll ins Leere laufen, weil das System sofort sämtliche temporäre Dateien löscht. Wie Daten gesichert und Angriffe erkannt werden, wollen nun die Datenschützer herausfinden. Erst wenn diese Prüfung positiv abgeschlossen ist, darf der Probebetrieb des Systems starten.

[Update 03.09.2014 – 11:00 Uhr] Nach Angaben des Herstellers ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt für die Prüfung der Abschnittskontrolle zuständig. Die Prüfung soll nach den Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erfolgen. In den Niederlanden wurde das System von der Instrumenten-Messbehörde Nederlands Meetinstituut geprüft und zugelassen. (anw)